Vorarlberger Expertin der Blockflötenszene

VN / 08.06.2022 • 09:00 Uhr
Sabine Gstach: "Wir sind alle richtige Klangtüftler, immer auf der Suche nach idealen Klängen für die jeweiligen Werke und Stilrichtungen." <span class="copyright">Andreas Ender</span>
Sabine Gstach: "Wir sind alle richtige Klangtüftler, immer auf der Suche nach idealen Klängen für die jeweiligen Werke und Stilrichtungen." Andreas Ender

Sabine Gstach ist mit dem Ensemble La Rocaille unermüdlich unterwegs.

FRASTANZ In 40 Jahren am Landeskonservatorium hat sie in Generationen von angehenden Musikern die Begeisterung für ihr Instrument geweckt, wurde damit im Land zum Urgestein der Blockflöte. Sabine Gstach hat mit ihrem Wirken aber auch wesentlich dazu beigetragen, dass diesem Instrument heute der gebührende Respekt entgegengebracht wird.

Früher witzelte man gerne über die Blockflöte als Kinderspielzeug oder musikalische Vorstufe für ein anderes Instrument. Wie schwierig war es, hier eine Bewusstseinsbildung zu schaffen?
Diese Einstellung kam landläufig vor allem aus den Vorkriegsjahren. Es hat aber schon seit den 1970er-Jahren viele professionelle Wegbereiter eines erstklassigen Blockflötensolo- und Ensemblespiels gegeben wie Frans Brüggen, Sour Cream etc. Sehr inspiriert konnte ich auf dem aufbauen. Natürlich war es ein immer aktueller Nebenschauplatz, die Blockflöte aus ihrem Image als Einsteigerinstrument herauszuholen.

Wie war das bei Ihnen persönlich – Sie haben damals als Kind in Braunschweig wohl auch mit „Hänschen klein“ angefangen?
Ja, das kann sein. In meiner musikalischen Familie hat jedenfalls meine Mutter als Musiklehrerin und Chorleiterin mit uns Mädchen sehr gern Hausmusik gepflegt. Auch meine Musikschulzeit war sehr intensiv, durch tolle Lehrerinnen, die mich mit dem Blockflötenvirus infiziert hatten und auch durch die Teilnahme an den Wettbewerben bei „Jugend musiziert“. Daneben hatte ich auch noch Klavier- und Cellounterricht, aber die Blockflöte mit all ihren faszinierenden Möglichkeiten vor allem in der „Alten Musik“ war mein Favorit.

Sie haben dann studiert, wann kamen Sie nach Vorarlberg?
Nach Abschluss meiner Lehrbefähigungsprüfung in Braunschweig führte mein Weg an die Hochschule für Musik nach Wien mit Diplomabschluss bei Prof. Hans Maria Kneihs. Zu diesem Zeitpunkt kam 1977 das Stellenangebot von Vorarlberg, er empfahl mich, ich bewarb mich und das Glück war mir hold.

Sie waren vermutlich eine der ersten Lehrpersonen am neu gegründeten Landeskonservatorium. Wie waren Ihre Eindrücke damals?
Ich war einfach glückselig, in der wunderschönen „Stella Matutina“ unterrichten zu dürfen und dabei im bergigen Ländle die Natur zu genießen. In intensiver Aufbauarbeit gingen zahlreiche meiner Musikgymnasiasten bei „Prima la Musica“ als Preisträger hervor, sowohl in der Solo- wie auch in der Ensemble- und Kammermusik-Wertung.

Wie viele Schüler haben Sie ungefähr in diesen 40 Jahren unterrichtet?
Es waren sehr, sehr viele. Vermutlich 80 Prozent wurden Pädagogen, ein Großteil davon war als Blockflötenlehrkräfte in Vorarlberg tätig und sind bis heute beste Kollegen.

Sabine Gstach mit dem Ensembles La Rocaille. <span class="copyright">Andreas Ender</span>
Sabine Gstach mit dem Ensembles La Rocaille. Andreas Ender

Sie haben zusammen mit Ihrer Kollegin Dorit Wocher das Ensemble La Rocaille gegründet, um damit die unzähligen Spielarten der Blockflöte zu demonstrieren und populär zu machen?
Ja, das war 2009. Der Name steht im Französischen für Rokoko oder Muschelwerk und soll Symbol sein für unsere reich verzierte Spielweise, unsere Spielfreude und phantasievolle Programmgestaltung. Neben Dorit Wocher waren von Anfang an Veronika Ortner-Dehmke und Barbara Nägele dabei, ab 2016 kam dann Maren Kloser-Burger anstelle von Barbara. Es gab aber davor schon mehrere Formationen von Blockflötenensembles mit ehemaligen Studierenden, z. B. „La Volta“ oder „La Ricordanza“, auch viele Konzerte mit der 1984 gegründeten „Camerata Feldkirch“ mit René Häfelfinger, Traversflöte, Sabine Gstach, Flauto dolce, Johannes Linnartz, Viola da Gamba, und Josef Gstach, Cembalo.

Worauf legt legen Sie bei den Konzerten besonderes Augenmerk?
Wir sind alle richtige Klangtüftler, immer auf der Suche nach idealen Klängen für die jeweiligen Werke und Stilrichtungen von der Gregorianik bis zur Moderne. Also ein Telemann sollte eben nicht gleich klingen wie ein Frescobaldi und der nicht gleich wie ein Albrechtsberger. Und das hängt alles auch stark mit unserem Instrumentarium zusammen. Die Instrumente aus der Renaissance etwa haben einen ganz anderen Klang als die frühbarocken Flöten. Und dann unterscheiden wir natürlich wie bei einer Orgel auch zwischen den Registern mit vier Fuß und acht Fuß, was eine wunderschöne dunkle Lage wie von tiefen Orgeltönen ergibt. Dazu ist gerade in letzter Zeit im Blockflötenbau sehr viel passiert an Neuentwicklungen, die wir alle auch einbeziehen, wie etwa den Eagle, eine Art moderne Altflöte, oder die Pätzold – das sind Bässe bis in den Subbassbereich.

Und diese verschiedenen Instrumente aus der großen Blockflötenfamilie wechseln Sie auch ständig untereinander?
Unser Instrumentarium ist reichhaltig, wir spielen zwar alle alles, aber wir haben jede auch so unsere kleinen Spezialgebiete. Und wir wechseln nicht nur die Instrumente, sondern auch unser Denken. Wir müssen ständig andere Schlüssel lesen, mal einen Ton höher, mal einen tiefer oder auch eine Terz transponieren. Das ist um Vieles komplexer als einfach ein Kinderlied zu spielen.

Und ein Ende des Ensembles ist im Moment wohl nicht absehbar – Sie sind gefragt, und Ihnen geht die Blockflöte bis jetzt niemals auf die Nerven?
Nein, auch mit 70 bleibe ich neugierig und immer wieder fasziniert von den vielen verschiedenen Flötentypen, der Musik und dem Ensemblespiel. Es gibt auch einen ganz großen Hype mit modernen Kompositionen, zum Beispiel von Sören Sieg, Pieter Campo und anderen. Sie schreiben fantastische Musik für Blockflöten-Quartett – das ist genügend Stoff für Entwicklungen in viele Richtungen. Wir fahren deshalb auch einmal im Jahr zu anderen Profis und deren Meisterkursen, wo wir uns weiterbilden, neue Literatur kennenlernen und reflektiert werden. Der Blick von außen ist enorm wichtig, man bekommt neue Impulse und lernt nie aus! Das alles ist aber auch nur möglich, weil uns eine enge Freundschaft verbindet, sonst hätte das gar nicht so lange gehalten.

ZUR PERSON

SABINE GSTACH

GEBOREN1952 in Braunschweig, wohnt in Frastanz

AUSBILDUNG Studium in Braunschweig und an der Wiener Musikhochschule, Studien in Zürich, Teilnahme an Meisterkursen

TÄTIGKEIT Lehrtätigkeit an der Musikschule Wolfenbüttel, an der Pädagogischen Akademie in Krems, im Bildungswerk in Perchtolsdorf; 1977 – 2017 Dozentin für Blockflöte, Fachdidaktik, Kammermusik am Landeskonservatorium in Feldkirch

FAMILIE verheiratet mit Josef Gstach, eine gemeinsame Tochter

Fritz Jurmann

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