Weltflüchtlingstag: Darum befindet sich die Zahl der Vertriebenen auf einem Rekordhoch

VN / 19.06.2023 • 14:47 Uhr
Asylsuchende warten in Tijuana, Mexiko, an der Grenze zu den USA auf eine Erlaubnis zur Einreise. <span class="copyright">AFP</span>
Asylsuchende warten in Tijuana, Mexiko, an der Grenze zu den USA auf eine Erlaubnis zur Einreise. AFP

Immer mehr müssen ihre Heimat verlassen. An neuen EU-Asylplänen regt sich Kritik. Caritas-Direktor verweist auf humanitäre Verantwortung.

Schwarzach Die jüngsten Zahlen zum Weltflüchtlingstag sprechen eine deutliche Sprache: So viele Menschen mussten ihre Heimat verlassen wie nie zuvor. Das Flüchtlingshochkommissariat UNHCR teilte kürzlich mit, dass aktuell rund 110 Millionen weltweit auf der Flucht sind, zwei Drittel davon in ihren Heimatländern, ein Drittel überwiegend in den Nachbarstaaten. Im Juni 2022 waren es noch rund 100 Millionen. Insgesamt lag die Gesamtzahl der Vertriebenen Ende des Vorjahres bei 108 Millionen Menschen. Hilfsorganisationen sehen Handlungsbedarf.

Diese Menschen sind vor der Gewalt in der sudanesischen Region Darfur in das Nachbarland Tschad geflüchtet. <span class="copyright">Reuters</span>
Diese Menschen sind vor der Gewalt in der sudanesischen Region Darfur in das Nachbarland Tschad geflüchtet. Reuters

Klimawandel verschärft Lage

Das UN-Flüchtlingshilfswerk nennt als Fluchtgründe Krieg, Gewalt und Verfolgung. Den Schilderungen zufolge werden viele Krisen durch die Folgen des Klimawandels verschärft. Auch Andrea Barschdorf-Hager, Geschäftsführerin von CARE Österreich, verwies am Montag auf die Millionen Menschen, die sich dazu gezwungen sähen, ihr Zuhause wegen Konflikten und Naturkatastrophen zu verlassen. „Viele haben in den ärmsten Ländern der Welt Zuflucht gefunden.“ Angesichts der multiplen Krisen sei die internationale Gemeinschaft gefordert. Sie müsse ihren Verpflichtungen nachkommen und die entsprechenden Mittel für Versorgung und Unterstützung der Geflüchteten und Vertriebenen aufstocken, fordert Barschdorf-Hager. CARE thematisiert in diesem Zusammenhang Angaben des UNHCR, wonach von den geforderten zehn Milliarden US-Dollar für die Flüchtlingshilfe nach sechs Monaten gerade einmal 22 Prozent gedeckt seien.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von APA Livecenter angezeigt.

Deutliche Worte zum Weltflüchtlingstag findet auch die Caritas. „Während 108 Millionen Menschen vor dem Nichts stehen, ganze Generationen unter schwierigsten Bedingungen leben und aufwachsen müssen, hat die internationale Staatengemeinschaft immer noch keinen Weg gefunden, den Flüchtlingsschutz umfassend und unabdingbar anzuerkennen und umzusetzen“, kritisierte Präsident Michael Landau. Besonders dramatisch hätten sich die Unzulänglichkeiten in den letzten Tagen gezeigt, führt Landau weiter aus: Während die europäischen Staaten über eine Verschärfung der Asylregeln diskutiert hätten, kamen bei einem Bootsunglück vor der griechischen Küste hunderte Menschen ums Leben, überwiegend Frauen und Kinder. Bis zu 700 Menschen hatten sich vergangene Woche an Bord des völlig überfüllten Schiffes befunden. Wie viele genau starben, war auch am Montag noch nicht klar. 104 Personen konnten gerettet, 80 Menschen nur noch tot geborgen werden.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von APA Livecenter angezeigt.

Die Caritas hatte die geplanten strengeren europäischen Asylbestimmungen zuvor bereits deutlich kritisiert, die VN berichteten. Darauf hatte sich zuletzt eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten geeinigt. Vor allem Menschen, die nicht vor Krieg oder politischer Verfolgung fliehen, sollen abgeschreckt werden. Personen aus einem Staat, der als relativ sicher gilt, würden künftig nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in eine streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtung kommen. Dort soll innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragssteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, würde er umgehend zurückgeschickt. Ob es tatsächlich so kommt, ist noch nicht ganz klar. Der nächste Schritt sind Verhandlungen mit dem Europaparlament.

Ein Überlebender des Bootsunglücks im Mittelmeer umarmt einen Angehörigen in Malakasa, Griechenland. <span class="copyright">Reuters</span>
Ein Überlebender des Bootsunglücks im Mittelmeer umarmt einen Angehörigen in Malakasa, Griechenland. Reuters

Der Vorarlberger Caritas-Direktor Walter Schmolly hält die Pläne jedenfalls für enttäuschend. „Thema ist nicht, dass man Grenzen nicht schützen soll. Aber man muss es so machen, dass es unseren Grundwerten gerecht wird, den Menschenrechten“, sagt Schmolly zu den VN. Vorgehensweisen, die vor allem auf Abschreckung setzten, könnten nicht die Lösung sein. Zum Weltflüchtlingstag verweist er auf die Grundfrage der humanitären Verantwortung Europas, Österreichs und Vorarlbergs. Gleichzeitig gehe es auch darum, was geleistet werden kann. Drei Aspekte sind für den Caritas-Direktor wichtig: Fluchtursachen müssten bekämpft werden. Für jene, die Verfolgung ausgesetzt sind und Schutz brauchen, sollte es sichere Fluchtrouten geben, etwa in Form von Aufnahmeprogrammen und Botschaftsasyl. Drittens sollten europäische, faire und funktionierende Lösungen entwickelt werden – in Zusammenspiel mit den verschiedenen Ebenen. „Es braucht die Gemeinden, es braucht die Bevölkerung, die Nationalstaaten und Europa.“

Walter Schmolly, Vorarlberger Caritas-Direktor, hält die Pläne der EU für enttäuschend. <span class="copyright">VN/Stiplovsek</span>
Walter Schmolly, Vorarlberger Caritas-Direktor, hält die Pläne der EU für enttäuschend. VN/Stiplovsek

Stabile Lage in Vorarlberg

In Vorarlberg spricht der Caritas-Direktor momentan von einer seit Wochen stabilen Situation, was die Aufnahme von geflüchteten Menschen angeht. Die Asylanträge in Österreich seien zuletzt wieder zurückgegangen, ebenso jene der Vertriebenen aus der Ukraine. Diese Entwicklung spiegelt sich auch im Land wider, zum Beispiel bei der Suche nach Unterkünften. „Natürlich fällt immer einmal wieder das eine oder andere Quartier aus. Aber den ganz großen Druck gibt es momentan nicht.“