Deshalb steht die Vorarlberger Justiz an ihrer Belastungsgrenze

VN / 12.10.2023 • 17:00 Uhr
Seit Längerem macht sich ein steigender Neuanfall von Verfahren im straf-, zivil- und arbeitsrechtlichen Bereich bemerkbar. <span class="copyright">symbol/vn/hb</span>
Seit Längerem macht sich ein steigender Neuanfall von Verfahren im straf-, zivil- und arbeitsrechtlichen Bereich bemerkbar. symbol/vn/hb

Auch wenn sämtliche Planstellen bei den Gerichten besetzt sind: Ihrer selbst sind es noch zu wenige.

Feldkirch Immer komplexer werdende Verfahren, ein ständig steigender Neuanfall von Gerichtsakten, eine Flut eingehender digitaler Datenmengen seitens der Verfahrensbeteiligten: Die Vorarlberger Gerichte sind an der Belastungsgrenze angelangt.

Der Präsident des Oberlandesgerichts Innsbruck, Wigbert Zimmermann. <span class="copyright">BMJ</span>
Der Präsident des Oberlandesgerichts Innsbruck, Wigbert Zimmermann. BMJ

Dem gegenüber zeigten sich Oberlandesgerichtspräsident Wigbert Zimmermann (Innsbruck) und Landesgerichtspräsidentin Angelika Prechtl-Marte bei der Präsentation der „Langen Nacht der Gerichtsbarkeit” wegen sinkender Zahlen bei Jus-Studierenden und Pensionierungen im Kanzleibereich besorgt. Um mehr Personal zu finden, brauche es finanzielle Anreize, so Zimmermann in Richtung Bund.

Fachkräftemangel

Der Fachkräftemangel treffe auch die Justiz. Zwar seien derzeit sämtliche Richterplanstellen in Vorarlberg besetzt, auch bei den Richteramtsanwärtern gebe es keine Rekrutierungsprobleme, doch an den Universitäten sei die Zahl der Jus-Studierenden trotz Bemühungen der Hochschulen seit Jahren rückläufig. Der Kampf um die weniger werdenden fertigen Juristen sei bereits im Gange. „Wir müssen alles tun, um unsere Arbeitsplätze attraktiv zu halten”, betonte Zimmermann.

Die Vorarlberger Landesgerichtspräsidentin Angelika Prechtl-Marte.
Die Vorarlberger Landesgerichtspräsidentin Angelika Prechtl-Marte.

Hohe Arbeitsbelastung

Prechtl-Marte berichtete über eine hohe Arbeitsbelastung, die dem entgegenstehe. In allen Sparten seien die Fallzahlen im Steigen begriffen. Gerade in Vorarlberg habe man eine sehr junge Richtermannschaft, die ihre Arbeit in hoher Qualität leiste, was aber nur unter großem Einsatz möglich sei. Sie wünschte sich zehn Planstellen mehr für Vorarlberg, „und auch dann wäre niemandem langweilig”.

Im Kanzlei- und Supportbereich sind laut Zimmermann in Tirol und Vorarlberg 575 Mitarbeitende beschäftigt. „In den nächsten fünf Jahren gehen 25 Prozent davon in Pension. Das heißt für uns rekrutieren, rekrutieren, rekrutieren”, sagte er. Man habe viel Bewegung bei den Mitarbeitenden, diese suchten häufig in der Privatwirtschaft nach Alternativen, vor allem weil der Bund schlecht zahle. Hier werde es ohne eine Anhebung der Gehälter nicht gehen, betonte Zimmermann.

Die “Lange Nacht der Gerichtsbarkeit” am nächsten Freitag

<p class="caption">Das Landesgericht Feldkirch öffnet am Freitag, den 20. Oktober, seine Türen für die breite Öffentlichkeit. <span class="copyright">vn/paulitsch</span></p>

Das Landesgericht Feldkirch öffnet am Freitag, den 20. Oktober, seine Türen für die breite Öffentlichkeit. vn/paulitsch

Wie läuft eine Verhandlung ab oder die Rekonstruktion eines Unfalls? Die Justiz gewährt bei der „Langen Nacht der Gerichtsbarkeit” Einblicke. „Nicht jeder kommt freiwillig zum Gericht“, spielt Landesgerichtspräsidentin Angelika Prechtl-Marte jenen Personenkreis an, der das zweifelhafte Vergnügen hat, sich dort wegen einer Anklage nach dem Strafgesetzbuch zu verantworten.

Doch am Freitag, den 20. Oktober, soll das Gericht zu einem Besuch reizen. Denn zum ersten Mal in der Geschichte der Vorarlberger Justiz öffnet das Landesgericht Feldkirch seine Tore für die breite Öffentlichkeit. Im Rahmen der „Langen Nacht der Gerichtsbarkeit“ ist die Bevölkerung von 16 bis 21 Uhr eingeladen, sich ein persönliches Bild vom Geschehen in den Gerichtssälen zu machen. Und nicht nur das.

Präsentierten die "Lange Nacht der Museen" (v.l.): Vizelandesgerichtspräsidentin Karin Seidl-Wehinger, Landesgerichtspräsidentin Angelika Prechtl-Marte, Oberlandesgerichtspräsident Wigbert Zimmermann, Richter Dietmar Nussbaumer (Leiter der Öffentlichkeitsarbeit).<span class="copyright"> vn/gs</span>
Präsentierten die "Lange Nacht der Museen" (v.l.): Vizelandesgerichtspräsidentin Karin Seidl-Wehinger, Landesgerichtspräsidentin Angelika Prechtl-Marte, Oberlandesgerichtspräsident Wigbert Zimmermann, Richter Dietmar Nussbaumer (Leiter der Öffentlichkeitsarbeit). vn/gs

Simulierte Prozesse

Das Programm lockt dabei mit durchaus spannenden Angeboten für die interessierten Besucher. So bietet sich etwa die Gelegenheit, Zeuge zweier (simulierter) Strafverhandlungen im Schwurgerichtssaal zu werden. Das Publikum hat dabei selbst die Möglichkeit, vor der Urteilsverkündung eine Prognose abzugeben. Der ehemalige Landesgerichtspräsident Alfons Dür, seines Zeichens auch leidenschaftlicher Historiker, bietet Einblicke in die Geschichte der Vorarlberger Justiz, etwa zur Zeit des Nationalsozialismus.

In Schwurgerichtssaal wird für die Öffentlichkeit das Prozedere einer Strafverhandlung nachempfunden. <span class="copyright">symbol/vn/plesch</span>
In Schwurgerichtssaal wird für die Öffentlichkeit das Prozedere einer Strafverhandlung nachempfunden. symbol/vn/plesch

Kuriose Dinge

Und wie läuft eine Exekution durch Gerichtsvollzieher ab? Ist bekannt, dass es eine Internetplattform für die Versteigerung jener Gegenstände gibt, die dem „Kuckuck“ anheimfielen? Anhand von Beispielen wird gezeigt, welch kuriose Dinge auf diesem Wege schon veräußert wurden oder werden. Auch die Arbeit der Gerichtsmedizin wird veranschaulicht. Und jene eines Kfz-Sachverständigen, der einen Unfall rekonstruieren und dabei Fragen wie Bremsweg und Geschwindigkeit erläutern wird.

Vizelandesgerichtspräsidentin Karin Seidl-Wehinger präsentiert einen der Wegweiser, die dann bei der "Langen Nacht der Gerichtsbarkeit" zeigen, wo was zu finden sein wird. <span class="copyright">vn/gs</span>
Vizelandesgerichtspräsidentin Karin Seidl-Wehinger präsentiert einen der Wegweiser, die dann bei der "Langen Nacht der Gerichtsbarkeit" zeigen, wo was zu finden sein wird. vn/gs

„Wir wollen einen umfangreichen Blick hinter die Kulissen unseres Hauses anbieten, sämtliche Türen sind geöffnet“, bringt es Vize-Landesgerichtspräsidentin Karin Seidl-Wehinger auf den Punkt.

Wichtige Programmpunkte am 20. Oktober:

16.15 und 19.15 Uhr: Prozessspiel im Schwurgerichtssaal anhand einer Strafverhandlung.

16.30, 17.30 und 19.30 Uhr: Kfz-technische Unfallrekonstruktion am Beispiel eines Verkehrsunfalls mit Fußgängerbeteiligung (Raum 032/EG).

17.45 Uhr: Aus der Geschichte des Landesgerichts Feldkirch (Vortragender Alfons Dür) im Schwurgerichtssaal.