Opfer in Kofferraum geworfen und mehrfach mit Stanleymesser geschnitten

Anklage gegen Vorarlberger lautete auf Mordversuch, doch das Urteil fiel anders aus.
Feldkirch Anfang März dieses Jahres saß der 57-jährige Mann gemütlich vor seinem Fernseher daheim im Bregenzerwald, als plötzlich Dutzende von Polizisten das Haus stürmten. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft am in der Justizanstalt Feldkirch. Die Anklage der Staatsanwalt gegen den U-Häftling lautete ursprünglich auf absichtlich schwere Körperverletzung. Doch das Oberlandesgericht Innsbruck dehnte die Anklage aus – auf das Verbrechen des versuchten Mordes.
Kein Geständnis
Beim Prozess am Landesgericht Feldkirch trägt die Staatsanwaltschaft die Tatvorwürfe gegen den 57-Jährigen vor: So soll der Mann einem 49-jährigen Schuldner, der ihn zu Hause besucht hatte, mit einem kantigen Gegenstand auf den Hinterkopf geschlagen haben. Anschließend hätte er das bewusstlose Opfer in den Kofferraum eines Pkw geschleudert und ihm dann mit einem Stanleymesser tiefe Stichverletzungen zugefügt. Teilweise mit bis zu 13 Zentimetern Länge. Drei blutende Wunden am rechten, vier weitere am linken Unterarm des 49-Jährigen waren das Resultat.

Die Gewaltakte gingen einher mit massiven Drohungen: „Halt die Schnauze!“, soll der Beschuldigte seinem schreienden Opfer entgegengeschmettert haben, „sonst landet der nächste Schnitt in deiner Kehle.“ Halsabschneidergesten, Ohrfeigen, Schläge und mehrere Morddrohungen hätte der 49-Jährige schon vorher über sich ergehen lassen müssen.
Schulden als Motiv
Grund der Attacke seien seine Schulden beim Angeklagten gewesen. Mit 10.700 Euro stand der Mann beim Beschuldigten noch im Jahr 2016 in der Kreide, doch Letzterer streckte die Schulden mit einem monatlichen Zinssatz von 80 (!) Prozent in die Höhe. Wie er dann schlussendlich auf den Betrag von 254.000 Euro gekommen war, will Richter Dietmar Nussbaumer vom Angeklagten wissen. „Das habe ich mir so ausgerechnet“, kommt als Antwort.

“Suizidgefährdet”
„Das war alles anders. Die Geschichte wird immer bunter“, plädiert Verteidiger Rechtsanwalt Stephan Wirth für die Unschuld seines Mandanten. Dieser schildert seine Version: „Ich habe ihn nicht verletzt, ich bin unschuldig. Die Schnittwunden hat er sich selbst zugeführt. Denn er ist suizidgefährdet und wollte nur, dass ich ihn nicht mehr belästigen kann, wenn ich im Gefängnis sitze. Obwohl ich immer freundlich zu ihm und seiner Familie war“, attestiert er seinem angeblichen Opfer Verleumdungen.
2000 Anrufe in kurzer Zeit
Belästigungen seitens des 57-Jährigen liefen offenbar kontinuierlich ab. „Innerhalb von drei Monaten habe ich ihn 2000 Mal angerufen. Doch er hat fast nie abgenommen“, sagt der Angeklagte. Die Staatsanwaltschaft geht noch weiter: „Der Beschuldigte hat seinem Opfer jahrelang aufgelauert und auch einen GPS-Sender in seinem Auto versteckt“, so die öffentliche Anklägerin. Außerdem hatte der Bregenzerwälder noch eine Risikoversicherung für seinen Schuldner abgeschlossen mit einem Auszahlungswert von 100.000 Euro im Ablebensfalle.
Das angebliche Opfer wird als Zeuge einvernommen. Der 49-jährige Mann belastet den Angeklagten schwer. „Er hat mich mit dem Messer attackiert. Ich schwöre auf alles, was ich gesagt habe! Danach habe ich alle meine Kraft zusammengenommen und bin zum Krankenhaus nach Dornbirn gefahren“, behauptet der Zeuge.

Gerichtsmediziner Walter Rabl bestätigt die Schnittverletzungen, die zwar nicht lebensgefährlich, doch vom Verletzungsbild mit Sicherheit nicht vom Opfer selbst zugefügt worden seien. Und schon gänzlich unmöglich sei dies bezüglich der Wunde am Hinterkopf.
„Waren Sie zum Tatzeitpunkt alkoholisiert?“ fragt der Richter den Angeklagten. Dieser entgegnet: „Ich trinke seit 38 Jahren keinen Alkohol. Nur Jägermeister.”
Viereinhalb Jahre Gefängnis
Während ihrer Beratung entscheiden die Geschworenen auf Freispruch von der Anklage des versuchen Mordes. Schuldig gesprochen wurde der 57-Jährige mit Stimmen von acht zu null wegen absichtlich schwerer Körperverletzung, gefährlicher Drohung und Nötigung. Gegen die Strafe – viereinhalb Jahre Gefängnis unbedingt, meldet der Verurteilte volle Berufung und Nichtigkeit an. Privatbeteiligtenvertreter Rechtsanwalt Stefan Denifl erreichte für seinen Mandanten den Zuspruch von 1500 Euro Schmerzengeld.