Causa Thoma: Jetzt spricht die Deutschlehrerin

VN / 15.05.2024 • 17:29 Uhr
Deutschlehrerin Anja Häusle in der Causa Thoma und AHS-Lehrervertreter Gerhard Pusnik
Deutschlehrerin Anja Häusle spricht in Begleitung von AHS-Lehrervertreter Gerhard Pusnik (l) mit VN-Redakteur Klaus Hämmerle über ihre Erlebnisse mit Christoph Thoma. VN/Rhomberg

Zwei Jahre lang dauerte der “unangenehme Kontakt” zwischen Anja Häusle und Christoph Thoma.

Ludesch Anja Häusle (38) wirkt noch etwas mitgenommen von den Ereignissen der letzten Tage: der Bekanntgabe der staatsanwaltschaftlichen Entscheidung zur strafrechtlichen Relevanz der Interventionen von Christoph Thoma, den Äußerungen des ÖVP-Politikers über dieses Urteil. Doch die AHS-Lehrerin, der Thoma zwei Jahre lang das Leben schwer machte, ist nun auch entschlossen. An der Seite von AHS-Lehrervertreter Gerhard Pusnik will sie ihre Sicht der Dinge schildern. Häusle tut das in einem großen Interview mit den Vorarlberger Nachrichten.

Was war für Sie als Hauptbetroffene der erste Gedanke nach Bekanntgabe der Entscheidung der Staatsanwaltschaft Feldkirch in der Causa Thoma?

Häusle Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft ist für mich selbst wenig überraschend, da ich in Herrn Thomas Verhalten selbst nie eine strafrechtliche Relevanz gesehen habe, zumal ich diesen Sachverhalt auch nicht zur Anzeige gebracht habe. Auf ethischer bzw. moralischer Ebene erachte ich persönlich die Vorgangsweise von Herrn Thoma allerdings als äußerst fragwürdig, da ein Kontakt zwischen Eltern und Pädagog*innen auf Augenhöhe und mit dem nötigen Respekt passieren sollte, was hier leider nicht der Fall gewesen ist. Ich möchte hier auch anmerken, dass es in der Natur der Sache liegt, dass Eltern sich für das Wohl ihres Kindes einsetzen und dass ich es selbstverständlich in meiner Laufbahn als Lehrerin auch schon erlebt habe, dass Gespräche nicht so glücklich verlaufen sind wie erhofft – die Begegnungen mit Herrn Thoma haben jedoch den mir bis dato bekannten Rahmen an Interventionen mehr als nur gesprengt.

Maurice Shourot
Fühlt sich keiner Schuld bewusst und hält hält sein Verhalten am BG Bludenz weiterhin für angemessen: Christoph Thoma: Maurice Shourot

Können Sie schildern, wie Christoph Thoma bei Ihnen wegen eines seiner Kinder interveniert hat?

    Häusle Herr Thoma hat mich knapp zwei Jahre lang mehrmals auf sehr unangenehme Art und Weise kontaktiert. Begonnen hat das Ganze mit mehreren Anrufen auf meinem privaten Handy (während des Unterrichts, in meiner Freizeit), mit einer WhatsApp-Nachricht am selben Tag und einer für mein Empfinden unangemessenen Sprachnachricht um 19:30. Geregelte Sprechstundenzeiten für Elternteile sind für Herrn Thoma offensichtlich nicht ausreichend gewesen: Man stelle sich vor, jeder Elternteil würde diese Art und Frequenz der Kontaktaufnahme in Anspruch nehmen (Ich unterrichte ca. 180 Schüler*innen.). Dies ist der Beginn einer Reihe von an mich gerichteten Mails gewesen, die im Ton meines Erachtens mehr als nur übergriffig gewesen sind. Das einzige persönliche Gespräch, das in der gesamten Zeit stattgefunden hat, habe ich auch als sehr unangenehm empfunden, da absolut keine sachliche Auseinandersetzung möglich gewesen ist und Aussagen getätigt worden sind, die gegen meine Person gerichtet gewesen sind.

    Ist es für Sie juristisch nachvollziehbar, warum es zur Einstellung des Verfahrens gegen den ÖVP-Politiker kam?

    Häusle Was mich persönlich betrifft, hat sich mir nie die Frage einer strafrechtlichen Relevanz gestellt. Allerdings stellt sich mir die Frage, ob ein strafrechtlich relevanter Tatbestand vorliegen muss, bevor Lehrpersonen vor unangemessenen Interventionen geschützt werden. Die mehrfach von Herrn Polaschek angekündigte Unterstützung würde ich mir persönlich anders vorstellen.

    Deutschlehrerin Anja Häusle in der Causa Thoma und AHS-Lehrervertreter Gerhard Pusnik
    Anja Häusle musste sich über zwei Jahre mit dem ÖVP-Landtagsabgeordneten, der sogar Eröffnungskonferenzen am BG Bluden beiwohnen durfte, auseinadnersetzen.

    Wie belastend war für Sie diese Zeit der Interventionen Thomas, und wie lange hat das gedauert?

    Häusle Die Interventionen haben knapp zwei Jahre gedauert und sind sehr belastend für mich gewesen, da Herr Thoma mir immer wieder meine Kompetenz abgesprochen hat, meine Notengebung in bestimmender Art und Weise infrage gestellt hat und seine Mails auch an andere Personen, die nichts mit dem Sachverhalt zu tun gehabt haben, weitergeleitet hat. Des Weiteren wollte er sich auch in Unterrichtsinhalte einmischen. Dies ist im Übrigen, wie sich auch im Laufe der Ermittlungen herausgestellt hat, auch bei anderen Kolleg*innen der Fall gewesen, Stichwort Sexualkundeunterricht. Ich habe mich durch diese Interventionen sehr unter Druck gesetzt gefühlt, da die negative Benotung seines Kindes immer wieder angezweifelt worden ist, obwohl jede Arbeit von mindestens vier weiteren Kolleg*innen gegengelesen worden ist. An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass ich bei einem „Nicht genügend“ normalerweise nur von einer weiteren Lehrperson eine Expertise einhole.

    Deutschlehrerin Anja Häusle in der Causa Thoma und AHS-Lehrervertreter Gerhard Pusnik
    Für AHS-Lehrervertreter Gehrad Pusnik ist das Verhalten Thomas beispiellos. “Da gab es überhaupt keinen Respekt für die Lehrperson.”

    Hat Thoma Ihnen mit Jobverlust oder andersgearteten Schwierigkeiten gedroht, wenn Sie nicht entsprechend seiner Vorstellungen benoten?

    Häusle Nein, das hat er nicht. Allerdings muss ich zugeben, dass für mich meine berufliche Situation sehr wohl ungewiss gewesen ist, da Herr Thomas Mails nicht nur mich erreicht haben, sondern auch meinen Direktor und weitere Personen der Schulgemeinschaft. Zudem ist mir zugetragen worden, dass Herr Thoma den Sachverhalt sogar bei Schullandesrätin Schöbi-Fink vorgebracht habe. Außerdem hat er in seinen Mails auch angedeutet, das Ganze im Schulgemeinschaftsausschuss zu thematisieren. Die von Herrn Thoma verfassten Mails haben zudem als Signatur seine gesamten beruflichen Funktionen beinhaltet und ich habe auch ein Mail von seiner Adresse als Wirtschaftsbunddirektor erhalten, dessen Inhalt ich persönlich als sehr unangemessen einstufe.

    Wie sehr hat Thoma mit seinen Aktivitäten allgemein das Klima an der Schule beeinflusst? Sie waren ja nicht die einzige Lehrerin, gegen die er vorgegangen ist.

    Häusle Natürlich hat das Klima an der Schule unter dieser Situation sehr gelitten und leidet – ehrlich gesagt – immer noch darunter.   

    Sie fühlten sich zu wenig unterstützt von der Bildungsdirektion. Was haben die nicht getan, was sie tun hätten sollen?

    BG Bludenz, Kantine, Schule, Bundesgymnasium, Aqua Mühle
    Am BG Bludenz waren viele Lehrer alles andere als angetan von den ständigen Interventionen des Wirtschaftsbunddirektors. VN/Böcken

    Häusle Von der Bildungsdirektion habe ich mich leider überhaupt nicht unterstützt gefühlt. Ich habe den Sachverhalt im Juli 2023 über den Dienstweg weitergeleitet, leider ist die Causa Thoma bis zum heutigen Tag noch nicht zufriedenstellend geklärt worden.

    Maurice Shourot
    Ex-Lehrer und jetziger ÖVP-Klubdirektor Roland Frühstück verteidigt Christoph Thoma uneingeschränkt. Maurice Shourot

    Wer war in dieser Zeit ihre größte Stütze?

    Häusle Meine größte Stütze ist definitiv meine Familie, die mich immer wieder aufgebaut hat und mich darin bestärkt hat, mich nicht unterkriegen zu lassen. Mein Dank gilt selbstverständlich auch meinen Kolleg*innen, Dr. Gerhard Pusnik und der Gewerkschaft, die mir einen Rechtsbeistand gestellt hat, der in dieser Sache leider tatsächlich notwendig gewesen ist, um mich zu schützen.

    Was bleibt für Sie nach Abschluss dieses Kapitels übrig? Sind Sie nun eine andere Lehrerin?

    Häusle Lehrer*innen benötigen definitiv eine niederschwellige Anlaufstelle, um bei Konflikten dieser Art schnell Unterstützung zu erhalten, damit die Kommunikation zwischen Eltern und Lehrer*innen nicht derart eskaliert, wie es in meinem Fall leider passiert ist. Ich verfolge immer noch dieselben Prinzipien und an meiner Einstellung zu einer objektiven und fairen Beurteilung hat sich auch nichts geändert. Allerdings ist mir durch die Causa Thoma vor Augen geführt worden, welche Opfer dafür zu erbringen sind und wie viel einfacher der Weg wäre, sich dem Druck zu beugen.