Dominik Wlazny: “Unsere Inhalte gehen über einen Bierdeckel hinaus”

Bierpartei-Chef Dominik Wlazny spricht im VN-Interview über leistbares Wohnen, Zwei-Klassen-Medizin, Gleichberechtigung und die Frage, was seine Partei politisch wirklich ausmacht.
Schwarzach Die Bierpartei könnte bald den Sprung ins Parlament schaffen. Parteichef Dominik Wlazny, Musiker und Mediziner, ist derzeit auf Wahlkampftour in Vorarlberg. Für viele Links- und Protestwähler gilt seine Partei als ernste Alternative. Ein Gespräch mit dem 37-jährigen Wiener über sein Programm und seinen Plan für Österreich.
Manche behaupten, die Bierpartei habe inhaltlich wenig zu bieten – so wenig, dass es auf einen Bierdeckel passt. Wie begegnen Sie dieser Kritik und welche Kerninhalte sind für Ihre Partei besonders wichtig?
Wlazny Das ist natürlich ein Blödsinn. Jeder, der sich einmal die Mühe macht, auf unsere Website zu schauen, wird sehen, dass unsere Inhalte nicht auf einen Bierdeckel passen. Mir ist wichtig zu betonen, was unsere Kerninhalte sind: Wir fordern ein überparteiliches Zukunftsministerium, weil es wichtig ist, einen langfristigen Horizont zu entwickeln und in die Zukunft zu schauen. Eine Vision gemeinsam mit den Menschen in diesem Land zu erarbeiten – wo wollen wir hin? Die Politik denkt immer nur bis zum nächsten Wahltermin. Der 29. September 2024 ist ein wichtiger Tag, aber der 29. September 2050 ist ein viel wichtigerer Tag für die Zukunft Österreichs. Dafür braucht es langfristige, tragfähige Konzepte in Bildung, Gesundheit, Verkehr und Energie.

Die Bierpartei fordert leistbare Mieten, eine transparente Mietpreisregelung und mehr sozialen Wohnbau, lehnt aber Mietobergrenzen bei Neubauten ab. Warum und wie möchten Sie sicherstellen, dass Wohnen weiterhin bezahlbar bleibt?
Wlazny Wir sind im Altbau für eine Mietobergrenze. Beim Neubau nicht, aus dem einfachen Grund, dass dann weniger gebaut wird. Wir brauchen in erster Linie mehr sozialen Wohnbau. Ohne sozialen Wohnbau wird es nicht gehen. Man sieht in Deutschland, welche Probleme entstehen, wenn es einfach zu wenig Wohnraum gibt. Würde man dann in Österreich hergehen und die Mieten im Neubausektor deckeln, würde weniger gebaut. Dann gibt es zu wenig Wohnraum.
Als Nächstes muss der Wohnraum, der bereits in Österreich vorhanden ist, den Menschen auch zur Verfügung gestellt werden. Darum braucht es eine Leerstandsabgabe, die wirklich funktioniert. Eine Viertelmillion Wohnungen stehen in Österreich leer, da könnte ganz Prag einziehen. Leerstand muss finanziell unattraktiv sein.
Und am Ende des Tages sollten Mietpreise vom Verbraucherpreisindex entkoppelt werden, damit solche Situationen wie vor zwei Jahren mit sprunghaft ansteigenden Mieten nicht mehr passieren.

Angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten fordern Sie, dass der tägliche Einkauf leistbar bleibt. Welche konkreten Schritte würden Sie setzen, um dies zu gewährleisten?
Wlazny Einen ganz großen Schlüssel sehe ich in den Mietpreisen. Fast jeder, der nicht auf der Sonnenseite des Lebens steht, muss seine Miete berappen. Das ist der erste Schritt. Ebenso wichtig ist es, dass die Politik zumindest temporär in die Energiepreise eingreift, wenn es nötig wird. Auch hier war vor zwei Jahren die Expertenmeinung, dass die Politik hätte handeln sollen, aber nichts ist passiert. Jetzt stehen wir da und heulen uns die Augen aus, weil die Teuerung so hoch ist.
Leider ist die aktuelle Politik beim Hören auf Expertenmeinungen relativ lernresistent. Ich sehe die Aufgabe eines Politikers ähnlich wie die eines guten praktischen Arztes: Der ist auch nicht in allen Fachrichtungen Universitätsprofessor, aber wenn er nicht weiter weiß, muss er die Fachärzte fragen. Und wenn diese sagen, so oder so, dann sollte er sich das zu Herzen nehmen.

Viele Menschen in Österreich haben das Gefühl, dass es im Gesundheitssystem eine Zwei-Klassen-Medizin gibt. Wie würden Sie dafür sorgen, dass alle Menschen unabhängig von ihrer Versicherung die gleiche medizinische Versorgung erhalten?
Wlazny Ich bin selbst Arzt und bin wie viele Österreicher mit dem Glauben aufgewachsen, wir hätten eines der besten Gesundheitssystem der Welt. Ein Blick in die Krankenhäuser oder Arztpraxen zeigt jedoch, dass dem nicht so ist. Ich würde sogar sagen, wir haben eine Vier-Klassen-Medizin: das öffentliche Gesundheitswesen, Privatversicherte, Selbstzahler und jene, die es sich halt richten können. Das ist ein großes Problem, denn es geht um die Gesundheit.
Darum müssen wir die Versorgung vor Ort verbessern, etwa durch mehr Primärversorgungszentren und ein funktionierendes Community- und Acute-Community-Nurse-System, um Krankenhausaufenthalte zu vermeiden. Außerdem müssen die Arbeitsbedingungen in den Gesundheitsberufen dringend modernisiert und attraktiver gestaltet werden, damit die Fachkräfte im Land bleiben. Der Beruf des Kassenarztes muss wieder attraktiver werden. In der Pflege fehlen uns in den nächsten Jahren 70.000 Kräfte. Jeder, der etwas von Demografie versteht, wird sagen: “Freunde, wir bekommen ein Problem. Ihr müsst was tun.”

In Österreich ist die Gleichberechtigung von Frauen noch weit entfernt. Was sind Ihre Vorschläge, um Aufgaben und Chancen gerechter zwischen Frauen und Männern zu verteilen?
WlaznyAuf jeden Fall brauchen wir vernünftige Lohntransparenz. Die aktuellen Regelungen sind noch zu lasch. Und ja, wir müssen den Frauen, die oft die Hauptlast der Care-Arbeit tragen, bundesweit gute Kinderbetreuungsplätze zur Verfügung stellen. Zumindest die Möglichkeit schaffen, dass Kinder ab dem ersten Lebensjahr ganztägig betreut werden können, auch in ländlichen Gebieten.
Schweden ist da ein Vorreiter. Es muss auch attraktiv für Männer sein, in Karenz zu gehen. Machen wir gescheite Modelle und rollen das aus – das ist meine Haltung. Ich sehe das Problem, und da muss etwas getan werden, anstatt nur darüber zu reden.
Rechtspopulistische Parteien wie die FPÖ unter Herbert Kickl gewinnen zunehmend an Einfluss. Was müsste sich Ihrer Meinung nach in der Politik ändern, um solchen extremen Strömungen entgegenzuwirken?
Wlazny Dass die Menschen das Vertrauen in die Politik verloren haben, hat sich die Politik in den letzten Jahrzehnten hart erarbeitet. Dass in Zeiten der Verunsicherung und Angst solche Parteien Zulauf erhalten, ist auch kein Novum. Ich glaube, man muss den Menschen wieder auf Augenhöhe begegnen und ihre Sorgen ernst nehmen. Dann rennen sie auch nicht zu jemandem, der in Wahrheit null Lösungsvorschläge für die Probleme der Menschen hat.
Die, die im Parlament sitzen, müssen sich die Frage stellen: Was haben wir in den letzten Jahren falsch gemacht, dass jemand, der wirklich nichts zur Verbesserung der Lebenssituation der Menschen vorschlägt, so einen Zulauf bekommt? Da würde ich mich als große Oppositionspartei selbst hinterfragen, wie es soweit kommen konnte.

Wenn wir die Wahl mit Biersorten vergleichen – Mohren Spezial hat 5,6 %, Fohrenburger Jubiläum 5,5 %, Egger Märzen 5,0 % und Frastanzer s’Klenne 4,9 % – welchen „Alkoholgehalt“ erwarten Sie sich für die Bierpartei bei der Wahl?
Wlazny Ein zünftiges Bockbier (lacht). Ich nehme das Frastanzer Bock. Von so einem Ergebnis gehe ich aus, deswegen sitze ich hier. Und ich glaube auch, dass Österreich bereit für Bier ist.
Anmerkung der Redaktion: Das Frastanzer Bockbier hat 7,2 %.