Thomas Matt

Kommentar

Thomas Matt

Streiflicht: Doppelstaatsbürger

VN / 25.03.2025 • 09:29 Uhr

Täglich kann man Menschen dabei zusehen, wie sie verbiestert in ihr Smartphone starren und in zackigen Bewegungen darüber wischen, wie man früher mit dem Radiergummi die Bleistiftspuren vom Papier rieb. Oder man blickt in aschfahle Gesichter: Sie schauen in eine unbestimmte Ferne, aber sie sehen dort nichts. Ihre Augen sind leer, ohne ein Stäubchen Erregung. Wenn der Bus dann herankeucht, setzen sie sich mechanisch in Bewegung und man wollte wetten, dass sie das Tag für Tag auf die gleiche Weise tun.

Und dann sind da andere wie die Mutter, die mit ihrem Kind ein Spiel spielt, dessen Regeln nur den beiden vertraut sind: Ihr persönliches, gemeinsames, köstliches, kleines Geheimnis, das die Wangen des Kindes rötet und der Mutter Lachfalten um die Augen zaubert. Ihre Kleidung mag ärmlich wirken – ein Flicken da, eine Naht dort – aber sie haben dem Alltag noch eine andere Welt entgegenzusetzen: Die Welt ihrer Fantasie, ihre Träume und Sehnsüchte, die Zuneigung zueinander und eine Zuversicht, die in sich selbst gründet.

Sie sind, möchte man sagen, Doppelstaatsbürger. Haben ein Stück Heimat mehr als viele andere. Das entscheidende Stück, möchte man meinen. Denn solche Rückzugsorte sind heiß begehrt heutzutage. Ach was, sie waren es immer!