Streiflicht: Arg unterkühlt
„Eiskalt“, sagt die Frau und zieht ihren flauschigen Pelzkragen enger. Sie duscht jeden Morgen „eiskalt“. Sie sieht tatsächlich frisch aus. Und doch wirkt der Satz seltsam in diesem gut beheizten Raum. Lustvoll fährt sie fort, dass ihr diese kleine Tortur zur zweiten Natur geworden sei. Wenn alte Mischbatterien in Hotelbadezimmern nur lauwarmes Wasser liefern, läuft sie richtig heiß. Das Gegenteil dessen, was sie im Sinn hatte.
Sofort melden sich andere zu Wort, die noch einen draufsetzen wollen. Äußerst belebend empfinden manche den morgendlichen Kälteschock: Ein drahtiger Mit-Sechziger flüstert verträumt: „Wundervoll“. Bei frisch gebrühtem Kaffee macht die Geschichte von jenem Mann die Runde, der sich in Eiswürfeln badete, wenn ihm das Duschwasser nicht kalt genug war. „Er wurde 90 Jahre alt“, betont die Erzählerin und verstummt. Mehr geht nicht.
Wir halten fest: Schockgefroren lebt sich’s länger. All die anderen Warmduscher nicken so kumpelhaft wie möglich und wischen sich noch am nächsten Morgen den Angstschweiß von der Stirn, während sie sich noch einmal umdrehen in all der Behaglichkeit von Flanellleintuch und Federbett.
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