76-jähriger Ex-Polizeibeamter wegen Missbrauchs verurteilt

Nach Dutzenden Einvernahmen ist am Mittwochabend am LG Feldkirch das – nicht rechtskräftige – Urteil gefallen.
Feldkirch In blauem Anzug mit weißem Stecktuch wartet der 76-jährige, einst führende Bregenzer Polizeibeamte auf das Urteil.
Bis zuletzt beteuert er seine Unschuld in Sachen Kindesmissbrauch, bis zuletzt hält ein Teil seiner Familie eisern zu ihm. Drei Tage lang wurden ein Dutzend Zeugen gehört, Reinhard Haller als Sachverständiger befragt – Verteidigerin Andrea Concin folgte den Ausführungen aufmerksam.
Opfervertreterin Olivia Lerch setzte sich für die beiden Missbrauchsopfer sowie für die Glaubwürdigkeit von deren Familie ein. Staatsanwältin Julia Berchtold überzeugte mit ihrer über 30-seitigen Anklageschrift den Schöffensenat, dass der bislang Unbescholtene ins Gefängnis gehört. Zwanzig Jahre sind die Vorfälle her, seitdem gibt es sehr viel Leid, Unruhe, Intrigen, Beschimpfungen, Verleumdungen gegen die Opferfamilie und gegen die einst missbrauchten Mädchen, so Berchtold. Und auch Lerch bittet den Schöffensenat vor der Urteilsberatung: „Lassen Sie meine Mandantinnen nicht ungehört. Es wird Zeit!“.
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Gezeichneter Ankläger
„Seit den Vorwürfen ist mein Gewicht von 132 auf 91 Kilo gesunken“, sagt der höflich wirkende Angeklagte im Schlusswort, dass der Prozess Spuren hinterlassen habe. „Die Opfer werden zeitlebens darunter leiden“, weiß allerdings die Opfervertreterin. Beide mittlerweile erwachsenen Frauen kämpfen noch heute, zwanzig Jahre danach. Nachhallerinnerungen, Angstzustände und Schlaflosigkeit melden sich regelmäßig. Auffallend in dem Verfahren ist, dass selbst die Belastungszeugen den 76-Jährigen nicht übergebührlich belasten. Bezüglich des außerehelichen Verhältnisses mit einer 13-Jährigen räumt seine damalige Liebschaft ein, dass sie auch ein wenig verliebt in den Mann war und alles durch eine rosarote Brille sah. Sie war seine Schwägerin und erst zwölf Jahre alt, als die ersten Intimitäten begannen.
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Urteil gefällt
Nach zweistündiger Beratung fällt der Schöffensenat das Urteil. Zum sorglosen Umgang mit Waffen war der Angeklagte geständig. Im Übrigen jedoch nicht. Wegen mehrfacher sexueller Übergriffe, die sowohl mehrfachen Anal- als auch Vaginalverkehr umfassen, wird er unter anderem auch wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses, gefährlicher Drohung, Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses, pornografischer Darstellung Minderjähriger und mehrfachen Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt. Die Strafe: zehn Jahre Gefängnis. Dem einen Opfer schuldet der Mann 11.700 Euro, der zweiten Enkelin 1800 Euro. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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Anzeige nicht geplant
Die Opfer hatten die Anzeige ihres Großvaters nach über zwanzig Jahren nicht mehr vor. Durch Zufall lernte eine der mittlerweile erwachsenen Frauen eine Anwältin bei einer Fortbildung kennen, man kam ins Gespräch und sie fasste den Mut, die Sache anzuzeigen. Doch die Angst, wiederholt als Lügnerinnen abgestempelt zu werden, brauchte viel Mut, schlussendlich die entscheidenden Schritte zu unternehmen. Staatsanwältin Julia Berchtold bringt es in ihrem Schlussplädoyer auf den Punkt: „Jetzt sitzen wir drei Tage hier. Würden Sie anstelle eines Opfers ein Sexualdelikt anzeigen, wenn Sie im Vorhinein wüssten, was alles auf Sie zukommt?”, wendet sie sich an die Schöffen. Das Verhalten jener Personen, die eisern zum Angeklagten halten, beschreibt sie mit „Was nicht sein darf, das nicht sein kann“. Sie ist überzeugt, dass alle „Belastungszeugen“ den Druck der „Täterfamilie“ zu spüren bekamen. Mehrere Zeugen haben dies bestätigt. An einem Schuldspruch hat dies jedoch nichts geändert. Der ist allerdings nicht rechtskräftig.