Eigene Rollen reflektieren und loslassen

Der Dornbirner Verein Spiellernraum feiert zehnjähriges Bestehen.
Dornbirn Florian ist sechs Jahre alt. Er lebt abwechselnd bei Mutter und Vater, die mitten in einem erbitterten Scheidungskonflikt stehen. Der Junge gerät zwischen die Fronten, übernimmt eine vermittelnde Rolle – und entwickelt daraus einen tiefen Loyalitätskonflikt. Schließlich kommt er mit großer innerer Not in die Einzeltherapie zu Monika Schwärzler, der Gründerin des Vereins Spiellernraum.

In der Therapie spielt Florian regelmäßig die Rolle eines gestressten Elektrikers, der unermüdlich Verbindungskabel zwischen den Menschen legt. Immer wieder versucht er, Kommunikation herzustellen, Lösungen zu schaffen, Spannungen zu entladen. „Meine Rolle als Hilfs-Ich war die des Lehrlings“, erklärt Schwärzler. „In dieser begleitenden Position kann das Kind ermutigt werden, neue Handlungsalternativen zu entdecken – und sich spielerisch aus festgefahrenen Mustern zu befreien.“ Erst nach zehn Therapiestunden ist Florian bereit, die Verantwortung des „Verbindungslegers“ abzugeben. „Ab dem Zeitpunkt veränderte sich für Florian auch etwas in der Familie – er fand wieder zurück in seine Kinderrolle“, schildert Schwärzler. Die Geschichte zeigt eindrucksvoll, wie einem Kind mit der Methode des Kinderpsychodramas geholfen werden kann, eigene Rollen zu erkennen, zu reflektieren – und loszulassen.

Gewachsene Struktur
Der Verein Spiellernraum wurde 2015 von Monika Schwärzler gegründet – als Erweiterung zu ihrer psychotherapeutischen Praxis in Dornbirn. Ihr Ziel: sozial schwächer gestellte Kinder mit therapeutischem Bedarf zu unterstützen, die Methode des Kinderpsychodramas bekannter zu machen und ein Netzwerk an qualifizierten Fachpersonen im Land aufzubauen.

Heute, zehn Jahre später, blickt der Verein auf eine beachtliche Entwicklung zurück. Bereits 2020 eröffneten erste Kooperationspartner eigene Spiellernräume – mittlerweile zählt das Netzwerk 14 Fachpersonen mit unterschiedlichen Spezialisierungen. Kooperationspartnerin oder -partner im Spiellernraum zu sein bedeutet auch: Alle Kinder und Jugendlichen aus finanzschwachen Familien, mit denen sie arbeiten, können durch ein Ansuchen beim Verein gefördert werden. Diese solidarische Struktur ermöglicht psychotherapeutische Hilfe für Familien, die sonst keinen Zugang hätten.

Jubiläumsveranstaltungen
Zum zehnjährigen Bestehen hat der Verein eine Broschüre mit Erfahrungsberichten veröffentlicht – darunter auch jene von Florian. Der Auftakt der Jubiläumsfeiern fand in Kooperation mit dem mumo statt: Auf der Wiese vor dem Dornbirner Stadtmuseum konnten Kinder selbst in Rollen schlüpfen, sich in Tiere verwandeln und erste Erfahrungen mit dem Psychodrama machen. „Zuerst wählen die Kinder ein Tier, dann versuchen sie, ganz in dieser Rolle zu agieren. Es geht darum, dass sie ihre eigene Selbstwirksamkeit erleben“, sagt Christine Tabernig, Spiellernraum-Kooperationspartnerin.

Auch für die Sommermonate sind verschiedene Veranstaltungen geplant – etwa Familien- und Kinder-Rollenspielcamps. Weitere Informationen dazu gibt es online unter www.spiellernraum.at. LCF