Eine Ranch als Ort der Heilung

Jeanette Wohlgenannt bringt Lebensfreude in den Alltag von Menschen und Tieren.
Nenzing Die „Ranch Nenzing“ liegt am Ende des Nenzinger Gurtnielwegs, im Wald. Es regnet. Jeanette Wohlgenannt führt in den Heustadel – hier ist es gemütlich – und gewährt Einblick in ihren Alltag auf dem von ihrem Großvater geerbten Stall, den sie zu einem Ort der Heilung gemacht hat. Für Menschen und für Tiere.

Die 1973 geborene Nenzigerin wuchs bei den Großeltern auf. Mit ihnen verband sie eine sehr innige Beziehung. „Sie waren mein Elternersatz.“ Hintergrund war die Trennung der Eltern, in deren Folge die Mutter in Vollzeit arbeiten musste. Nur sehr schwer verkraftete Jeanette den Tod von Oma und Opa – sie starb 2013, er 2015: „Ich vermisse sie sehr. Noch immer.“
Sansor und Angelo
Ihre Leidenschaft für Pferde begann im Kindesalter. Sie war elf, als sie auf ihrem ersten eigenen Pony ritt. Sansor, so war sein Name, hätte getötet werden sollen. Es hatte ausgedient. Damit Sansor nicht einsam blieb, kam Angelo dazu. Und Jeanette verbrachte jede freie Minute in Großvaters Stall, um möglichst oft bei ihren Ponys zu sein. „Opa hat meine Pferdeliebe immer unterstützt“, sagt sie. „Dafür bin ich ihm unendlich dankbar.“ Gemeinsam mit ihm, dem gelernten Zimmermann, baute Jeanette den Stall aus, schaffte Platz für weitere bedrohte Pferde.

Jeanettes Berufswunsch war, „etwas mit Pferden machen“. Doch vorerst schlug sie andere Wege ein: ein Jahr Tourismusschule – „das war nicht meins“, Friseurinnen-Lehre – „auch das war nicht meins“. Als sie einen Job in einem Haflingerzuchtbetrieb fand, war die Freude groß. Größer war dann die Enttäuschung. Tiere zu züchten, um möglichst hohe Profite zu erzielen, ertrug sie nicht. Sie verließ den Zuchtbetrieb, woraufhin der Großvater ihr den Stall überließ. Jeanette ließ sich zur Reitlehrerin und Reittherapeutin ausbilden und begann, Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zu helfen, auf dem Rücken ihrer Pferde mehr innere Balance wie auch Lebensfreude zu finden. „Reittherapie stärkt den Muskelaufbau, schult die Feinmotorik, fördert Gleichgewicht und Selbstbewusstsein“, erklärt Jeanette. Zurzeit betreut sie an die 60 Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Die meisten werden ihr über die Kinderhilfsorganisation „Stunde des Herzens“ vermittelt.
Pferd gesucht
Auf ihrer Ranch leben zurzeit 30 Pferde unterschiedlicher Rassen – Tiere, die sie vor dem Schlachten gerettet hatte, weil sie niemand mehr wollte. Jeanette zufolge erbrachten sie nicht mehr die geforderte Leistung oder waren einfach zu alt. „Übrigens, ich suche ein weiteres Pferd. Einen ruhigen Haflinger zum Reiten und Kutsche fahren. Wer etwas weiß, bitte melden unter +436641748724.“

Die Tierretterin hat zudem drei Hunde bei sich aufgenommen: Der Border Collie, die französische Bulldogge und der Straßenhund aus einer Tötungsanstalt in Kroatien begleiten sie immer zur Ranch. Da gibt es auch noch Tigerkatze Lilo, die Jeanette vor dem Ertrinken bewahrt hat. Lilo bleibt jedoch in Jeanettes Wohnung in Nenzing, wenige Gehminuten von der Ranch entfernt.

Als ihr größtes Glück bezeichnet Jeanette „meine gesunden Kinder. Das ist ein wertvolles Geschenk“. Tochter Annika, 26, und Sohn Yannik, 28, helfen in ihrer Freizeit auf der Ranch mit. Auch ihr Ex-Mann steht ihr tatkräftig zur Seite. „Das weiß ich sehr zu schätzen. Allein könnte ich die Ranch nicht führen“, betont die 52-Jährige, die auch schon Oma geworden ist. Enkelin Cleo-Antonia ist zwei Jahre alt.

Einen Wunsch hat Jeanette Wohlgenannt, einen dringenden: „Mehr Freundlichkeit, mehr Hilfsbereitschaft, mehr Empathie, mehr Miteinander statt Gegeneinander.“