Wegen gefälschter Pickerl: Stress beim ÖAMTC

VN / 17.07.2025 • 15:55 Uhr
Prüfplakette
“Gefälligkeitsgutachten” nach Paragraf 57a sind in Vorarlberg keine Seltenheit. symbol/ÖAMTC

Auffallend viele temporäre Lizenz-Entzüge wegen Amtsmissbrauchs durch “schwarze Schafe” bei Vorarlberger Kfz-Begutachtern belasten den Mobilitätsclub durch eine kaum bewältigbare Mehrarbeit.

Dornbirn Allein in Vorarlberg hat der ÖAMTC rund 112.000 Mitglieder. Jährlich führt der Mobilitätsclub hier bei seinen vier Stützpunkten und durch seinen mobilen Prüfzug in den Talschaften über 36.000 Kfz-Überprüfungen durch und vergibt bei verkehrs- und betriebssicheren Fahrzeugen das Pickerl gemäß Paragraf 57a nach dem Kraftfahrgesetz.

Doch derzeit läuft etwas aus dem Ruder.

ÖAMTC-Jurist Dominik Tschol klagt gegenüber den VN, dass in letzter Zeit Engpässe bei den Kfz-Überprüfungen durch den Mobilitätsclub herrschen. “Wir kommen mit den Begutachtungen kaum mehr nach”, sagt er und vermutet einen speziellen Grund dafür: “In letzter Zeit hat die Vorarlberger Landesregierung von befugten Gutachtern auffallend viele Lizenzen temporär entzogen, die zur Vergabe von Prüfplaketten berechtigen.”

Dominik Tschol
ÖAMTC-Clubjurist Dominik Tschol. ÖAMTC

Netzwerk von “Pickerlfälschern”

So wurde erst kürzlich ein “Netzwerk” sprichwörtlicher Komplizen aufgedeckt, die in einer Vorarlberger Kfz-Werkstätte in acht Fällen gefälschte positive Gutachten erstellten und dafür zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt wurden (die VN berichteten). Was kein Einzelfall war, denn immer wieder kommt es am Landesgericht Feldkirch zu Anklagen wegen Amtsmissbrauchs nach dem Kraftfahrgesetz. Sprich wegen der Erstellung von ungültigen “Gefälligkeitsgutachten”, etwa durch Kfz-Werkstättenbetreiber.

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Neben einer Verurteilung wird in solchen Fällen grundsätzlich auch die Lizenz, sprich die Bevollmächtigung zur Kfz-Begutachtung nach Paragraf 57a, entzogen. Was derzeit für den ÖAMTC offenbar kaum bewältigbare Mehrarbeit mit sich bringt.

ÖAMTC
Dominik Tschol und Alexander Nagele (ÖAMTC) im mobilen Prüfzug, der zur Erstellung von Prüfgutachten in den Vorarlberger Talschaften unterwegs ist. vn/gs

Eines gibt Tschol dennoch zu bedenken: “Amtsmissbrauch ist ein Verbrechen, doch hier muss seitens der Behörde und allenfalls der Staatsanwaltschaft genau geprüft werden, ob dieser Vorwurf auch so gerechtfertigt ist.”


Abgelaufene Plakette im Ausland

Stichwort “Pickerl”: Mit seiner Kollegin Ebru Bicer-Düzdelen, ebenfalls Clubjuristin des ÖAMTC in Dornbirn, wird Tschol vor allem zur Reisezeit durchschnittlich fünfmal pro Woche mit Anfragen von Clubmitgliedern konfrontiert, die die Gültigkeit der österreichischen Kfz-Prüfplakette im Ausland betreffen. Denn nachdem in Österreich nach Ablauf des Pickerls eine Toleranzfrist von vier Monaten bis zur Erstellung eines neuen Gutachtens gewährt wird, ist das etwa in Italien, Ungarn, Kroatien und Slowenien nicht der Fall. Was heißen soll: Bei Auslandsfahrten mit einer abgelaufenen Prüfplakette, auch wenn sie in Österreich noch gültig ist, könnte das in den südlichen Nachbarländern zu Unannehmlichkeiten führen.

Ebru Bicer-Düzdelen
ÖAMTC-Clubjuristin Ebru Bicer-Düzdelen. ÖAMTC

Doch wie gesagt, es könnte. Denn Tschol als auch Bicer-Düzdelen vermögen hier aus ihrer Erfahrung gemeinsam zu beruhigen: “Wir kennen keinen Fall, bei dem einem unserer Clubmitglieder das Kennzeichen abgenommen oder gar eine Beschlagnahmung im Ausland stattgefunden hat, wenn das Pickerl abgelaufen war.”

Ohne TÜV kein Verkauf

Noch etwas zum Thema Fahrtüchtigkeit von Kfz: Brüssel plant eine umfassende Reform des Gebrauchtwagenmarkts in der EU. Künftig sollen Verkäufer nachweisen müssen, dass ihr Fahrzeug fahrtüchtig ist – sonst darf es weder verkauft noch exportiert werden.

Die neue Altfahrzeug-Verordnung der EU soll Umweltstandards stärken und illegale Exporte in Drittstaaten verhindern. Konkret sieht der Entwurf vor: Wer sein Auto über das Internet verkaufen will, benötigt künftig zwingend einen gültigen TÜV-Bericht. Ist dieser nicht vorhanden, muss ein unabhängiges Sachverständigengutachten eingeholt werden – auf eigene Kosten. Ohne einen solchen Nachweis ist laut EU-Plänen künftig weder ein Verkauf noch eine Ummeldung oder Ausfuhr möglich.