„Man muss Jugendlichen etwas zutrauen“

Als Gründerin der Jugendbotschafter verbindet Nicole Kantner Kreativität mit Tatkraft.
Dornbirn „Ich sag immer, wenn ich mein Leben beschreiben müsste, dann wär’s wie eine Apotheke mit zu vielen offenen Schubladen“, sagt Nicole Kantner (49), Gründerin der Jugendbotschafterinnen und Jugendbotschafter. Aus ihr sprudeln Ideen für Musicals, Workshops, Weltkarten in Fußgängerzonen oder Mosaikschlangen und doch schafft sie es, fast alles in die Realität umzusetzen.

Geboren in Ouagadougou in Burkina Faso, wuchs Nicole Kantner, besser als Nico bekannt, in Ghana, Ägypten und Österreich auf. Ihre Eltern stammen aus Rankweil, ihr Vater arbeitete in der Entwicklungszusammenarbeit, weshalb die Familie in die verschiedenen afrikanischen Länder zog. Weil damals die Matura in Ägypten in Österreich nicht anerkannt worden wäre, kehrte sie mit 13 Jahren mit ihren Eltern nach Vorarlberg zurück.

Bildung als roter Faden
1995 absolvierte sie in New York eine Ausbildung im pädagogischen Bereich, die später zur Grundlage für viele ihrer Bildungsinitiativen wurde. Zurück in Vorarlberg baute sie eine mobile Sprachschule auf, mit einem Fokus auf frühe Mehrsprachigkeit und spielerisches Lernen. Zeitweise war sie wöchentlich mit über 600 Kindern in Kontakt, organisierte Sprachgruppen, unterrichtete bilingual an Schulen und gründete den „Nico’s Playground Park“, ein zweisprachiges Kinderbetreuungszentrum mit Spielgruppen und Betreuungsmodellen für individuelle Bedürfnisse. Zudem etablierte sie 2000 das Säuglings-, Baby- und Kleinkindschwimmen im Bregenzer Seehallenbad, welches sie bis heute führt.

„Laber net! Tua was!“
Den größten Wirkungsraum fand sie jedoch 2011 bei der Caritas. Angesiedelt bei der Auslandshilfe gründete sie 2013 die Jugendbotschafterinnen und -Botschafter, später auch die der Kinderbotschafterinnen und -Botschafter. Mit ihnen macht sie auf die UN-Kinderrechte und Nachhaltigkeitsziele aufmerksam, durch Aktionen, Reisen und Projekte in Österreich wie auch in den Partnerländern Äthiopien und Armenien. Deshalb ist das Motto der Jugendbotschafter auch: „Laber net! Tua was!“ – reden allein reicht nicht, es braucht Taten. „Man muss Jugendlichen etwas zutrauen. Dann wachsen sie über sich hinaus“, sagt Nicole Kantner. Sie weiß, dass Partizipation nur funktioniert, wenn junge Menschen von Anfang an mitgestalten dürfen.

Kreativität ist dabei ihr Werkzeug. Seit 2005 produziert sie Musicals, zu Themen wie Mobbing, den Kinderrechten, den Nachhaltigkeitszielen und vielem mehr. Sie wirkte zudem beim Vorarlberger Landestheater und den Bregenzer Festspielen in Regieassistenz und im Requisitenbau mit. Ob Bühnenbilder, Workshops oder Straßentheater, Nicole Kantner findet stets einen Weg, schwierige Themen leicht zugänglich zu machen.

Verbunden mit den Wurzeln
Regelmäßig kehrt Nicole Kantner nach Ghana zurück, unterstützt den Kindergarten, den sie selbst als Kind besuchte, mit Fokus auf Bildung, Hygiene und Zugang zu sauberem Wasser.

Ihr Vorbild ist Pippi Langstrumpf, wegen ihrem Mut, ihrer Unabhängigkeit und ihrer Fantasie, alles Eigenschaften, die man auch Kantners Arbeit anmerkt. Heute lebt sie mit ihrem Partner und ihrem geliebten Dalmatiner in Dornbirn, ihre mittlerweile erwachsenen Kinder hat sie zweisprachig auf Deutsch und Englisch erzogen. Und obwohl ihr Kalender voll ist, bleibt Raum für Visionen. Eine davon ist ein großes Musical, bei dem jede Szene von einer anderen Schule gestaltet wird, ein Bild für gelebte Partizipation, wohl wissend, dass die Umsetzung kaum realistisch ist. Vielleicht liegt gerade darin ihr Markenzeichen: groß denken, offen bleiben und dann die richtige Schublade aufziehen. SOR
Zur Person
Nicole Kantner
Geburtstag 23. August 1975
Wohnort Dornbirn
Familie verpartnert, zwei Kinder
Hobbys Squash, Werkstatt, Kostüm- und Requisitenbau




