Monika Helfer

Kommentar

Monika Helfer

Kolumne: Himmlischer Garten

VN / 29.10.2025 • 07:05 Uhr

Mir wurde von einem frommen Mann erzählt, der viel in seinem Garten arbeitete. Er rutschte auf den Knien und riss Grasbüschel zwischen den Pflastersteinen aus. Unkraut wucherte, und so bestellte er sich auf Anraten eines Bekannten bei Amazon das beste Flämm- und Unkrautgerät, dazu eine Universal-Druckgasdose. Er hatte eine Freude an dem neuen Gerät und flämmte das Unkraut nur so weg, wo immer es sich ausbreitete.

Ein Nachbar kam vorbei, weil es aus den Tujen rauchte. Die hatten sich entzündet, und bald loderten die Flammen meterhoch. Er rief die Feuerwehr, und sie kam, dazu die Polizei, und sie dokumentierten und löschten.

Dem frommen Mann war das Missgeschick peinlich, und er nahm sich vor, das Unkraut von nun an wieder zu zupfen wie ehedem.

Abermals kam der Nachbar vorbei, als der fromme Man am Zupfen war. Er sagte: „Du bist doch ein frommer Mann, und da frage ich mich, warum lässt du das Unkraut nicht wachsen, die kleinen Tierchen würden sich freuen, und auch dein lieber Gott würde sich freuen, der die Pflanzen gemacht hat.“

Der fromme Mann antwortete ärgerlich: „Schließlich heißt es, macht euch die Erde untertan, und das tu ich, indem ich den Garten vor Unkraut befreie. Ich lobe Gott und lasse ihm zu Ehren statt Unkraut Blumen wachsen. Und du! Du willst mich nur ausspotten, weil dir meine Art zu leben nicht gefällt, lass mich, wie ich dich lasse.“

Der Lästerer aber gab keine Ruh. „Das sagt ihr alle immer, das mit dem Untertanmachen, das ist eure Ausrede. Mach doch mich untertan und nicht so ein unschuldiges, hilfloses Pflänzchen. Ich kann mich wehren. Um jemanden untertan zu machen, dazu benötigt man Kraft und Mut und Grausamkeit. Um ein zartes Unkräutchen zu vertilgen – nebenbei: ein Meisterwerk Gottes –, dazu holst du dir das Feuer von der Hölle. Knie dich heute Abend neben deinem Bett nieder und frag deinen Gott, ob er einverstanden ist, wenn du das Werkzeug des Teufels einsetzt, um sein Wunderwerk zu zerstören! Frage doch das Vieh, und es wird dich lehren, oder die Vögel des Himmels, und sie werden es dir mitteilen, oder rede zu der Erde, und sie wird es dich lehren, und die Fische des Meeres werden es dir erzählen! Wer erkennt nicht an all diesem, dass die Hand des Herrn dies gemacht hat? Die Lilien wachsen auf dem Felde von alleine, ohne besondere Arbeit und Pflege. Vernichtet aber werden sie durch das Feuer!“ – Der Lästerer hat sich nämlich mit Bibelstellen präpariert.

„Du!“, rief der fromme Mann, „du, du willst nur eines! Du willst, dass ich als kaputter Mann in mein Haus zurückkehre!“

„In welches Haus?“, fragte der Lästerer, und seine Stimme erhob sich wie die Stimme eines Propheten. „Es gibt nicht dein Haus, und es gibt nicht mein Haus, es gibt nur das Haus Gottes, und in ihm gedeihen die Pflänzchen, die du mit Höllenfeuer austreibst!“

Da fiel der fromme Mann auf die Knie und hob die Arme zum Himmel und weinte bitterlich.

Monika Helfer ist Schriftstellerin und lebt in Hohenems.