Kommentar: Donald der Große

Am US – Präsidenten scheiden sich die Geister. Während er besonders in intellektuellen Kreisen und in Europa überwiegend negativ beurteilt wird, ist er bei der Mehrheit der amerikanischen Wähler und darüber hinaus beliebt. Gemeinsam ist beiden Seiten, dass Donald Trump ungemein emotionalisiert, also Gefühlsreaktionen in Form von Empörung und Ablehnung oder gegenteilig von Zustimmung und Begeisterung auslöst. Ironisch könnte man sagen: Trump ist ein Unterhaltungsfaktor ersten Ranges. Ohne der Gefahr von Ferndiagnostik und Überpsychologisierung zu unterliegen, lässt sich dies auf den von ihm perfekt inszenierten Narzissmus zurückführen. Denn mit keiner andere (Ab-) Klassifizierung wird der Präsidenten so oft bedacht wie mit der narzisstischen Etikette.
Unzweifelhaft spielt Trump alle narzisstischen Stückeln. Mit eigenmächtigen, sprunghaften Entscheidungen, in denen er sich um nichts als um sein Ego schert, stößt er die Welt ein ums andere Mal geradezu genüsslich vor den Kopf. Seine Reden strotzen von Eigenlob und sind gespickt mit Entwertungen. Vor lauter „Ich, Icher, am aller Ichesten“ geht meist jegliche Empathie verloren. Wenn wir uns über dieses narzisstische Sündenregister zurecht aufregen, übersehen wir zwei wichtige psychologische Fakten: Narzisstisches Verhalten imponiert vielen Menschen, besonders solchen, die unzufrieden sind und auch gern ein solcher Kerl wären, der sich eigene Gesetze schafft und es allen zeigt. Wie sonst wären die weltweiten Wahlerfolge von sich narzisstisch gebärdenden Führungsgestalten zu erklären? Zum andern ist Narzissmus nicht a priori schlecht. Entscheidend sind vielmehr die Dosis und die Richtung, in die er sich entwickelt. Haben wir zu wenig Selbstvertrauen und Durchsetzungsfähigkeit, treten Minderwertigkeitsgefühle auf. Bei einem zu hohen Maß, wie wir es heute gesellschaftlich haben, kommt es jedoch unweigerlich zu emotionaler Kälte und sozialer Entsolidarisierung. Bei Donald Trump tut sich da – man glaubt es nicht – ein Hoffnungsschimmer auf: Denn sein narzisstischen Ehrgeiz zentriert sich nicht wie bei manchen Despoten darauf, der siegreichste Kriegsherr zu sein, sondern der größte Friedensstifter. Also einer, der dort Konflikte löst, wo dies sonst niemandem gelingt, dem der Friedensnobelpreis zusteht, der die Menschheit rettet. Treibt ihn der so oft kritisierter Narzissmus in seinen alten Tagen weiter in diese Richtung, werden Historiker vielleicht einmal von Donald dem Großen sprechen.
Univ.-Prof. Prim. Dr. Reinhard Haller ist Psychiater, Psychotherapeut und früherer Chefarzt des Krankenhauses Maria Ebene.