Leise wird es hell

Wie Zuhören, Mut und Begegnung Weihnachten neu zum Leuchten bringen.
Bregenz Es ist laut. Auf den Adventsmärkten und im politischen Diskurs. Und weil jeder versucht, den anderen zu übertönen, berauben wir uns des Wunders der echten Begegnung. Pastoralamtsleiterin Petra Steinmair-Pösel bedauert das zutiefst. Doch es ließe sich ändern. Der Gewinn wäre enorm.
Fürchtet Euch nicht!
In der Weihnachtsgeschichte tritt aus dem Dunkel der Nacht plötzlich ein Engel zu den Hirten und sagt: „Fürchtet Euch nicht!“ „Dieser Satz steht – so heißt es – 365 mal in der Bibel. ‚Einmal für jeden Tag des Jahres‘, sagt die Theologin und schmunzelt.“ Vermutlich jagt die sonderbare Erscheinung den Hirten Angst ein. Deshalb: „Fürchtet Euch nicht!“ Aber der Satz ließe sich auch anders lesen: „Fürchtet Euch nicht vor dem, was da kommt!“ Immerhin wird das unscheinbare Baby in der Krippe von Bethlehem eine Weltrevolution auslösen, die bis heute nachhallt.
Heute steht der Satz wieder hoch im Kurs: „Fürchtet Euch nicht!“ Vor dem Krieg, der kriselnden Wirtschaft, dem kollabierenden Klima – fürchtet Euch nicht. In den Augen von Steinmair-Pösel wäre diese Botschaft eine wichtige Aufgabe der Kirche, aber auch der Politik. „Nicht im Sinn von: Wir haben alles im Griff. Das wäre gelogen.“ Aber im Bewusstsein, „dass wir alle getragen sind von etwas Größerem“. Dass wir alle aufgerufen sind, der Frage nachzuspüren: Worum geht es im Tiefsten? Was will das Leben von mir? Gewiss, es liegt vieles im Argen. „Aber nur, was angenommen wird, kann auch heilen.“ Weihnachten erzählt genau das: „Indem Gott sich ganz einbringt in unsere Wirklichkeit, kann Heilung stattfinden.“
Für Menschen, die durch ihre viel zu dichten Alltage strudeln, klingt das vielleicht sehr abstrakt. „Aber Weihnachten richtet unseren Blick auf das Kleine, das Unscheinbare.“ Das Fest gibt uns die Chance, einmal genauer hinzuhören.
Einfach zuhören
Zuhören, das wäre ein Anfang. Petra Steinmair-Pösel hat es in großer Qualität bei Chiara Lubich (1920-2008) kennengelernt. Die Lehrerin aus Trient gilt als eine der großen spirituellen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. In den Trümmern des Zweiten Weltkriegs gründete sie die religiöse Laienbewegung der Fokolare. Das italienische „Focolare“ heißt Herdfeuer. Dem Weltkriegsgrauen setzte die junge Frau praktizierte Nächstenliebe entgegen. Aktiv sind die Fokolare heute in 182 Ländern und zählen rund 110.000 Mitglieder.
In diesem Umfeld hat Petra Steinmair-Pösel echte Dialoge erlebt. „Voraussetzung ist, dass ich meine Idee, wie der andere ist, und meine eigenen Sicherheiten für einen Moment zur Seite gebe. Frei werde vom Zwang, immer schon antworten zu müssen. Einfach zuhöre und wahrnehme. Wenn alle das tun…“ Dann erfüllt sich der Grundsatz: Wer sich befreunden will, muss sich zuerst befremden lassen. Das kann, das muss geübt werden. „Von der Diözesanleitung bis in die einzelnen Pfarreien hinein.“
Denn mit den Worten des jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“ Man kann der Angst mancher Menschen vor dem Fremden die besten Argumente entgegenhalten, es wird nichts nützen. Wer aber einmal über seinen Schatten springt und sich auf sein Gegenüber einlässt, wird erfahren, dass der Andere nicht ganz so fremd ist. „Der erste Eindruck kann, muss aber nicht stimmen.“ Wer den ängstlichen Blick gegen den neugierig-interessierten tauscht, wird oft belohnt. Petra Steinmair-Pösel veranschaulicht das am Beispiel einer Roma, die sie vor Jahren näher kennengelernt hat. „Mir hilft der Gedanke, dass Gott immer schon da ist.“ Nicht zuletzt im anderen Menschen.