Helfen – nicht nur zu Weihnachten

Bregenz Vor den Vorhang geholt zu werden, ist nicht so ihr Ding. Sie wirkt lieber im Hintergrund. Doch heute erzählt Sissy Matt (65) von ihrer Tätigkeit als PVÖ-Ombudsfrau. Denn die Bregenzerin will Menschen, die Hilfe brauchen, Mut machen, ihnen sagen: „Wir Ombudsleute sind für euch da.“

Der PVÖ (Pensionistenverband Österreich) ist politisch unabhängig, steht aber der SPÖ nahe. Wie gerät eine Frau, die aus einer konservativen schwarzen Tiroler Familie stammt, an den rot gefärbten gemeinnützigen Generationenverein? In Landeck aufgewachsen, absolvierte Sissy die Handelsakademie in Imst und kam danach, 20-jährig, nach Vorarlberg, wo sie eine Stelle bei der Post in Rankweil annahm. Nach der Karenzzeit – sie heiratete Andreas und gebar nacheinander zwei Töchter – wurde sie im Postamt Bregenz, in der Zentralen Informationsstelle, angestellt. Dann baute sie den Telekom Privatkundendienst auf, blieb dort bis zur Pensionierung mit 62 Jahren.

Ehrenamtliche Mitarbeiterin beim PVÖ wurde Sissy vor 15 Jahren. Irgendwann 2010 begegnete sie dem Vorarlberger PVÖ-Geschäftsführer Hubert Lötsch. „Von ihm erfuhr ich, was der Verein so alles macht. Das imponierte mir.“ Der rote Anstrich interessierte sie nicht. Maßgeblich für die sozial geprägte Frau war der Wunsch, Menschen in Not beizustehen, „und das nicht nur zu Weihnachten, sondern das ganze Jahr über“.

Sissy ließ sich in Mediation und Konfliktmanagement ausbilden, bevor sie als Mediatorin startete. Als Ombudsfrau tätig ist sie seit 2013. In ihr Betreuungsgebiet fallen etwa Pflegegeldanträge, Erwachsenenvertretung, Steuererklärungen, Konsumentenschutz. Zudem ist sie stellvertretende Obfrau der PVÖ-Ortsgruppe Bregenz, Stellvertreterin des Landespräsidenten und trägt den Titel Sozialrätin.  

Wer ihre Hilfe braucht, kommt zu ihrer Sprechstunde ins Büro in der Rathausstraße. Dort gibt es viel zu tun. Denn die Sorgen der Menschen nehmen spürbar zu. „Immer schwieriger werden die Zugänge zur Invaliditätspension“, nennt Sissy ein Beispiel. „Wir übernehmen die Klagen und die gerichtliche Vertretung für unsere Klienten.“ Der Fall einer schwerkranken Frau, der man die Invalidenrente nicht genehmigt hatte, hat sie stark geprägt: „Das von uns eingeleitete Verfahren lief ein Jahr. Kurz vor dem positiven Abschluss starb die Frau. Sie war noch keine 60.“

Ebenso problematisch verhält es sich mit dem Pflegegeldanspruch: zu viele Ablehnungen, ungerechte Einstufungen. „Wir helfen den Antragstellern, dass sie das ihnen zustehende Pflegegeld bekommen, indem wir neue Gutachten erstellen lassen.“ Viele ältere Menschen meinen, gegen eine schlechte Begutachtung könne man nichts tun. „Man kann sehr wohl etwas tun“, betont Sissy. Wie in diesem Fall: „Obwohl eine Krebspatientin dringend auf die pflegerische Hilfe ihrer Tochter angewiesen war, wurde ihr Antrag auf Pflegegeld abgelehnt. Wir veranlassten eine neue Untersuchung. Daraufhin wurde der Patientin Pflegestufe 4 zuerkannt.“

Ihr ehrenamtliches Engagement setzt Sissy fort, solange es ihr möglich ist. Denn der Erfolg ihrer Arbeit erfüllt sie mit Freude, Zufriedenheit und Dankbarkeit. „Ich kann mir nicht vorstellen, daheim herumzuhocken und nichts mehr zu tun“, sagt die umtriebige Pensionistin.

Seit vielen Jahren Witwe, gehört ihre Freizeit in erster Linie ihren Enkeln. „Am Montag ist Emilio bei mir, am Dienstag Tizian.“ Jeden zweiten Donnerstag trifft sie sich mit fünf Freundinnen zum Jassen. Und oft unternimmt sie Wochenendreisen nach Italien. Da läutet das Telefon. Jemand braucht ihren Rat. Und Sissy Matt ist in ihrem Element. HRJ