Kommentar: Ohne Hoffnung keine Zukunft

VN / 29.12.2025 • 13:00 Uhr
Kommentar: Ohne Hoffnung keine Zukunft

Die Schnelligkeit der Welt droht, uns zu überholen, auf alte Gewissheiten kann man sich nicht mehr verlassen und mit Verlusten ist immer zu rechnen. Mit dieser Haltung blicken viele Menschen in die Zukunft. Dass wir derzeit eine „besonders turbulente Zäsur“ erleben, in der „viele der bisher gültigen Annahmen außer Kraft gesetzt werden“, bestätigt die Wissenschafterin Helga Nowotny. „Die Zäsur reicht von der Loslösung und Kampfansage der USA von und an Europa bis zu den Kriegen in der Ukraine und in Gaza. Die schlechteste Reaktion darauf ist Angst. Sie lähmt nur und macht eigenes Handeln unmöglich“, sagt Nowotny vergangene Woche in der „FAZ“. Die Wienerin ist emeritierte Wissenschaftssoziologin der ETH Zürich und eine international renommierte Wissenschaftsforscherin.

Novotny hat kürzlich ein Anti-Krisen-Buch veröffentlicht, mit dem sie Zuversicht verbreiten will. Ihre Botschaft: „Auch diese Zeit ist bewältigbar, besser sogar, als wir denken.“ Hoffnung zu verbreiten, das ist heute keine einfache Aufgabe, auch nicht für die Politik, die gerade in Zeiten der Unsicherheit gerne an die Zuversicht appelliert. So wie Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der zu Weihnachten in der ORF-Sendung „Licht ins Dunkel” die Sorge vieler in Bezug auf die Zukunft anspricht, aber doch – Budgetprobleme hin oder her – zu einem Van der Bellen-typischen Schluss kommt: „Man soll nicht zu aufgeregt sein, wir werden das schon hinkriegen.”

Verklärte Vergangenheit

Doch bei allem Wunsch, Hoffnung zu vermitteln – große Fragen harren ihrer weiteren Bearbeitung: Wie geht es in Zeiten von Teuerung und Zollstreitigkeiten wirtschaftlich weiter? Kann der Abnutzungskrieg in der Ukraine für das Land selbst und für Europa gut beendet werden? Wie weit wird KI, künstliche Intelligenz, unsere Gesellschaften verändern? Und nicht zuletzt die grundlegende Frage: Werden die Kinder von heute noch so gut und in Frieden leben können wie die Generation vor ihnen? Die Zukunft ist heute für viele kein Ort mehr, der eine positive Verheißung in sich birgt. Ganz anders als etwa in den 1950er- oder 1960er-Jahren, als das Wirtschaftswunder in Österreich allen das Gefühl gab, künftig würde es nur mehr aufwärts gehen.

Nun gilt es, das Maß zwischen Sorge und Hoffnung zu finden. Die Zuversicht kann uns jedenfalls dabei helfen, Probleme nicht zu verdrängen, wenn wir mit ihnen konfrontiert sind. Und sie kann uns die Kraft geben, weiterzumachen, solange wir einen Sinn im eigenen Tun erkennen können. Denn nüchtern betrachtet: Früher war nicht alles besser, wie manche in einer Verklärung der Vergangenheit behaupten. Die Welt war nur langsamer und für den Menschen einfacher verständlich.

Werden die Kinder von heute noch so gut und in Frieden leben können wie die Generation vor ihnen?

Julia Ortner

Julia Ortner ist Journalistin mit Vorarlberger Wurzeln, lebt in Wien und ist Redaktionsleiterin von ORF.at.