Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Jammern über Brüssel

Vorarlberg / 06.12.2012 • 19:03 Uhr

Die Aufregung über den neuen Energieausweis, der nicht nur jedem Wohnungskauf, sondern auch jedem Mietvertrag beigelegt werden muss, ist beachtlich. Tatsächlich kann man sich fragen, welchen Sinn es hat, Haus- und Wohnungseigentümer zu zwingen, um teures Geld einen solchen Ausweis bei einem Zivilingenieur in Auftrag zu geben. Der Energieausweis liefert wohl keine Informationen, die dem Eigentümer in groben Zügen nicht schon bewusst waren. Ebenso muss man sich fragen, ob den Mieter die Betriebskosten seiner zukünftigen Wohnung nicht weitaus mehr interessieren als die Daten aus dem Energieausweis.

Der Energieausweis ist auf Grund einer EU-Richtlinie vorgeschrieben. Man könnte böse Vermutungen darüber anstellen, wie diese Vorschrift zustande gekommen ist. Waren hier Lobbyisten der europäischen Zivilingenieure unterwegs? Oder suchten sich unterbeschäftigte Beamte ein neues Betätigungsfeld?

Auch wenn ich weder den einen noch den anderen Grund ausschließen mag: Am wahrscheinlichsten ist für mich, dass sogar gute Absichten dahinter gestanden sind und dass jene, die die Richtlinie beschlossen haben, ernsthaft der Meinung waren, etwas für sparsame Energieverwendung und den Klimaschutz zu tun.

Das Beispiel deckt einmal mehr das Problem bei der Umsetzung von EU-Vorgaben auf: Die neuen Vorschriften werden im Vorfeld lange nicht ernst genommen. Wenn sie schließlich bei uns umzusetzen sind, wird über die Realitätsferne der Gesetze gejammert. Leider ist es noch immer so, dass das öffentliche Interesse für geplante Gesetzesvorhaben auf europäischer Ebene äußerst bescheiden ist, als ob Brüssel tatsächlich nur die Hauptstadt eines relativ kleinen Landes und nicht die Europas wäre. Lieber beschäftigt sich die Politik mit irgendwelchen Randthemen, die größere öffentliche Aufmerksamkeit versprechen.

Aber auch von den Bundesministerien, deren Aufgabe es eigentlich wäre, Vorhaben der EU kritisch zu prüfen, ist wenig Unterstützung zu erwarten. Sehr häufig sind die Ministerialbeamten froh, wenn neue Vorgaben aus „Brüssel“ kommen, weil ihnen das die schwierige Aufgabe abnimmt, die heimische Politik von der Sinnhaftigkeit neuer Vorschriften zu überzeugen.

Nicht nur die Beamten sollten sich rechtzeitig um die EU-Vorschriften kümmern, sondern auch die österreichischen Politiker.

peter.bussjaeger@vn.vol.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Vorarlberger Landtages und
leitet das Institut für Föderalismus in Innsbruck.
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