Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

,,Trau-mich-nicht-Demokratie“

Vorarlberg / 13.06.2013 • 20:23 Uhr

Kritiker der direkten Demokratie sehen sich durch die Schweizer Volksabstimmung über eine Verschärfung des Asylrechts vom vergangenen Sonntag in ihrer skeptischen Haltung bestätigt: Es bestehe die Gefahr, so argumentieren sie, dass das von populistischen Stimmungen aufgestachelte Volk gegen die Menschenrechte, konkret gegen das Asylrecht entscheide und damit gerade besonders schutzwürdige Menschen gefährde.

Diese Leute übersehen, dass das Volk gar keine Verschärfung des Asylrechts gefordert hat. Vielmehr hatte das Parlament das betreffende Gesetz schon beschlossen. Kritiker aus dem Volk, die mit der Verschärfung nicht einverstanden waren, hatten, was in der Schweiz das gute Recht der Bürger ist, eine Volksabstimmung verlangt und sind in dieser unterlegen. Das Schweizervolk hat also die Entscheidung seines Parlaments mit großer Mehrheit bestätigt, nicht mehr und nicht weniger. Dabei sollte auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Schweiz bei der Aufnahme von Flüchtlingen nach Malta, Schweden und Luxemburg immerhin an vierter Stelle in Europa liegt. Wer also glaubt, dass direkte Demokratie zu Fremdenfeindlichkeit oder dazu führt, dass das Volk die Entscheidungen des Parlaments laufend korrigiert, irrt sich gründlich.

Die sogenannte Demokratiereform in Österreich, auf welche sich die Parteien im Nationalrat möglicherweise noch vor dem Sommer einigen werden, sieht vor, dass ein Volksbegehren, das von 10% der Stimmberechtigten unterstützt wird, zwingend in eine Volksbefragung mündet, die aber für das Parlament nicht bindend sein wird. Außerdem soll der Nationalrat entscheiden können, ob ein Begehren gegen Grundprinzipien der Bundesverfassung verstößt und deswegen schon von vornherein nicht zur Abstimmung gebracht werden darf. Von der Möglichkeit, dass bereits gefasste Gesetzesbeschlüsse des Parlaments einer Volksabstimmung unterzogen werden müssen, wenn dies eine bestimmte Zahl von Bürgern verlangt, wie dies in der Schweiz der Fall ist, will man auf Bundesebene schon gar nichts wissen.

Diese Art von „Trau-mich-nicht-Demokratie“, in der das Volk eben nicht das letzte Wort hat, wird für die Regierenden in Österreich natürlich niemals wirklich unangenehm sein können.

peter.bussjaeger@vn.vol.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus in Innsbruck.
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