Des Richters Werk auf dem Prüfstand

Vorarlberg / 05.08.2013 • 20:39 Uhr
Andreas Posch war ein souveräner Vorsitzender des Testamentsprozesses am Landesgericht Salzburg. Foto: vn/hartinger
Andreas Posch war ein souveräner Vorsitzender des Testamentsprozesses am Landesgericht Salzburg. Foto: vn/hartinger

Andreas Posch glaubt an den Wert seiner Urteile. Zweifel hat er nur bei Kurt T.

Salzburg. Er hat dem Testamentsprozess in Salzburg seinen Stempel aufgedrückt, ohne sich prätentiös und polternd in den Mittelpunkt zu stellen. Er beeindruckte durch seine ruhige und souveräne Art, durch sein akribisches Detailwissen und seine Klarheit in der Prozessführung. Er überraschte letztlich mit Schuldsprüchen für alle zehn Angeklagten. Andreas Posch (47) war in dem schwierigen Verfahren ein hervorragender Vorsitzender des Schöffensenats. Doch bald schon wird er selbst bzw. werden seine Urteile beim Obersten Gerichtshof in Wien auf dem Prüfstand stehen. Wie viele andere fiebert der Halleiner Strafrichter dem letzten strafrechtlichen Akt in Wien entgegen. Im VN-Interview äußert er seine Einschätzungen vor der letztinstanzlichen Behandlung des Vorarlberger Jahrhundert-Kriminalfalls.

Die Testamentsaffäre ist am Obersten Gerichtshof. Wie sehr beschäftigt Sie als Richter des Erstprozesses die ganze Sache noch?

Posch: Ich bin natürlich sehr gespannt, was herauskommt. Und klar läuft da noch einiges über meinen Tisch, bekomme ich auch Informationen.

Wird es einen Gerichtstag geben?

Posch: Davon gehe ich eigentlich aus. Schon rein aus optischen Gründen wird man den Testamentsfall nicht im Geheimen verhandeln wollen. Und da ist ja auch noch der eine oder andere Punkt, bei dem man durchaus verschiedene Meinungen haben kann.

Das klingt nach Selbstzweifel am eigenen Urteil. Glauben Sie, dass in Ihrem Urteil nicht alles niet- und nagelfest war?

Posch: Ich denke, dass das Urteil im Wesentlichen gut fundiert ist. Ich glaube auch, dass es den Rechtsmitteln der Angeklagten standhält. Aber bei gewissen Einwänden der Staatsanwaltschaft bin ich mir nicht so sicher. Da gibt es zwei Punkte, die gekippt werden könnten.

Was bzw. wen meinen Sie da konkret?

Posch: Es geht um das Urteil gegen Kurt T. Da gibt es in Teilbereichen zwei Freisprüche vom Schöffensenat unter meiner Leitung. In diesen Punkten könnten aus Freisprüchen Schuldsprüche werden. Man kann das so oder so sehen. Aber lassen wir uns überraschen. Die Sichtweise des Obersten Gerichtshofs vorauszusagen ist schwer. Ich wurde da schon einige Male eines Besseren belehrt. Aber wie gesagt: Bei all den anderen Angeklagten habe ich ein gutes Gefühl bezüglich der gefällten Urteile.

Inwieweit haben Sie diesen für Vorarlberg historischen Gerichtsfall verinnerlicht? Wie oft denken Sie noch daran, was vor einem Jahr passiert ist?

Posch: Also davon träumen tu’ ich nicht. Es ist alles bereits sehr seit weg. Ich hab’ auch nicht mehr alle Fakten im Kopf. Ich habe sehr viel zu tun. Aber vergessen wird man einen solchen Fall selbstverständlich nicht.

Die Leitung des Testamentsprozesses hat Ihnen von allen Seiten viel Lob beschert. Hat der Vorsitz bei diesem Fall für Sie etwas verändert?

Posch: Nein, das hat es nicht. Ich war, glaube ich, auch vor diesem Fall ein guter Richter. Das Einzige, das etwas anders geworden ist: In Juristenkreisen werde ich schon gelegentlich mit der Testamentssache in Verbindung gebracht.

Den Vorsitz bei der Behandlung der Causa Testamente hat beim OGH ein gewisser Dr. Kurt Kirchbacher. Er ist unter anderem auch Honorarprofessor für Strafrecht an der Universität Salzburg. Kennen Sie ihn?

Posch: Ich habe ihn einmal bei einem Seminar erlebt. Aber sonst hatte ich mit ihm nie etwas zu tun.

Der Präsident des OGH, der Vorarlberger Eckhart Ratz,
hat aus optischen Gründen
den Vorsitz abgelehnt. Seine beiden Vizepräsidentinnen kamen nicht zum Zug. Warum, glauben Sie, wurde Dr. Kirchbacher für den Vorsitz aus­gewählt?

Posch: Das war keine bewusste Wahl für Kirchbacher. Auch der OGH hat eine Geschäftsordnung, die eine geregelte Zuordnung von Fällen vorsieht. Auf Basis dieser Geschäftsordnung kam Kirchbacher zum Zug. Das ist ein ganz gewöhnlicher Vorgang.

Werden Sie nach Wien zum Gerichtstag fahren – so es denn einen geben sollte?

Posch: Wenn es irgendwie geht, werde ich nach Wien fahren. Ja. Aber sollte ich am Verhandlungstag selber einen wichtigen Termin haben, dann eben nicht. Natürlich werde ich schauen, dass ich an jenem Tag eher keine Verpflichtung haben werde. Wenn ich weiß, wann die Verhandlung stattfindet.

Wenn es geht und ich keinen Termin habe, fahre ich natürlich zur Verhandlung nach Wien.

Andreas Posch
Das Bild der Verhandlung: Der Hauptangeklagte Jürgen H. vor seinem Richter. Foto: vn/hofmeister
Das Bild der Verhandlung: Der Hauptangeklagte Jürgen H. vor seinem Richter. Foto: vn/hofmeister

Richter Posch über die Angeklagten

Frau Ratz ist intelligent, ehrgeizig, direkt und unverblümt. Eine Frau, die sich nimmt, was sie möchte. Dafür setzt sie auch die Ellbogen ein.

über Kornelia Ratz

Man konnte sich sehr gut vorstellen, wie schwierig es gewesen sein muss, die Wortkargheit dieses Mannes aufzubrechen. Dieser Teil der Persönlichkeitsstruktur ist auch ein Indiz dafür, dass seine belastenden Angaben nicht in verleumderischer Absicht erfunden wurden.

über Jürgen H.

Er gab sich vor Gericht sehr devot, nahezu unterwürfig. Was wohl auf seine Angst vor der Strafe zurückzuführen ist. Man gewann immer wieder den Eindruck, dass seine nach außen gezeigte Reue nicht von innerer Überzeugung getragen ist.

über Peter H.

Es wurde deutlich, dass er auch nicht davor zurückscheute, andere Zeugen auflaufen zu lassen oder, wenn er sie schon nicht zu beeinflussen versuchte, so doch zumindest auszuhorchen oder einzuschüchtern.

über Kurt T.

Seine von Verfahrensbeteiligten geschilderten sozialen Defizite, die ihn manchmal zur Zielscheibe des Spotts seiner Kollegen werden ließen, wurden auch für das Gericht deutlich.

über Clemens M.

Er ist ein stolzer und selbstbewusster alter Mann, der sich bis auf einen kurzen Augenblick am Ende des Verfahrens so gab, als würde ihn die Verhandlung nicht betreffen. Wenn auch die Bezeichnung „Pate“ übertrieben ist, so machte er doch den Eindruck, dass er zumindest früher die „Strippen gezogen“ hat.

über Clemens M.

Zur Person

Mag. Andreas Posch

Der 47-jährige gebürtige Halleiner war am Beginn seiner juristischen Karriere Untersuchungsrichter, später Staatsanwalt. Seit 2003 ist er Strafrichter mit Spezialgebiet Jugendstrafrecht. Andreas Posch ist verheiratet, hat zwei Kinder und bezeichnet sich als großer Fan von Rock- und Bluesmusik.