Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Schicksalsjahr?

Vorarlberg / 13.03.2014 • 20:02 Uhr

In wenigen Tagen wird eine vermutlich überwältigende Mehrheit der Bewohner der Krim begeistert für einen Anschluss an Russland stimmen. Wie immer man zum Vorgehen der russischen Regierung steht: Die Ukraine hatte seit ihrer Unabhängigkeit gut 20 Jahre lang Zeit, den Bestrebungen der überwiegend russischen Bewohner der Krim um eine starke regionale Autonomie Rechnung zu tragen. Sie hat diese Chance nicht genützt. Herausgekommen ist eine halbherzige Lösung, die keine der beiden Seiten wirklich befriedigte.

Nach dem Sturz von Präsident Janukowitsch vor wenigen Wochen war die Situation eher schlimmer geworden: Die neue Führung wollte ursprünglich durch Sprachengesetze den Gebrauch des Russischen im öffentlichen Leben verbieten. Dümmer ging es wohl nicht. Jetzt müssen die Ukraine und die Europäische Union froh sein, wenn nicht auch noch der russischsprachige Osten an Russland verloren geht.

Wie man es besser macht, zeigen die Briten: Im Herbst wird Schottland über seine Unabhängigkeit abstimmen. Die britische Regierung in London hat den Schotten in den letzten Jahren eine weitreichende Autonomie zugestanden, räumt ihnen aber trotzdem das Recht ein, ganz aus dem Staatsverband auszuscheiden. Vermutlich wurde mit dieser klugen Haltung verhindert, dass es eine Mehrheit zugunsten der Unabhängigkeit gibt. Alle Umfragen sehen jene, die die bestehende Autonomie beibehalten wollen, noch in der klaren Mehrheit.

Sollte es wider Erwarten zu einem Ja der Schotten für die Unabhängigkeit kommen, dürfte das Jahr 2014 für Europa zu einem Schicksalsjahr werden: Dann werden sich auch die Unabhängigkeitsbestrebungen jener Katalanen, die sich von Spanien lossagen wollen, nicht mehr bändigen lassen. Dann bricht Spanien auseinander, verliert neben Katalonien wahrscheinlich auch das Baskenland und damit seine wirtschaftlich stärksten und wohlhabendsten Teile. Der nächste Staat in der Reihe wäre dann vermutlich Belgien, das ohnehin nach jeder Wahl um seine nationale Einheit ringt.

Es wird also ein spannendes Jahr. Wir werden erleben, ob mit einer klugen Autonomie Unabhängigkeitsbestrebungen und ein Zerfallen von Staaten verhindert werden können oder ob die Nationalstaaten am Ende sind.

peter.bussjaeger@vorarlbergernachrichten.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus in Innsbruck.
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