Lustenau ist ohne Chef, aber nicht ohne Führung

Vorarlberg / 25.03.2014 • 18:57 Uhr
Vizebürgermeister Walter Natter und Verwaltungschef Eugen Kanonier (v.l.) stehen derzeit an der Spitze der Gemeinde Lustenau.  VN/Steurer
Vizebürgermeister Walter Natter und Verwaltungschef Eugen Kanonier (v.l.) stehen derzeit an der Spitze der Gemeinde Lustenau. VN/Steurer

Wie sich die Gemeinde Lustenau auf eine lange Zeit ohne Bürgermeister eingestellt hat.

Lustenau. (VN-hk). Sabine Lorenz (47) hat sich schon längst daran gewöhnt, dass Leute anrufen und sich über ihren Chef erkundigen. „Wie geht’s ihm? Wann ist er wieder da?“, fragen viele. Andere wieder wollen einfach nur Genesungswünsche überbringen. Ein bisschen weniger sei es mittlerweile geworden. Ihr Chef ist Kurt Fischer (50), Bürgermeister von Lustenau. Von ihrem Schreibtisch im Vorzimmer blickt die Sekretärin auf die Tür des Bürgermeisterbüros. Gewöhnlich geht die permanent auf und zu. Doch seit Anfang Februar ist die Tür fast immer geschlossen. Das Amtszimmer ist schön aufgeräumt. Um das zu erkennen, muss man das Zimmer erst gar nicht be­treten. Das will eigentlich auch keiner. Vor allem nicht Walter Natter (54), Vizebürgermeister und derzeit politischer Entscheidungsträger in der 22.000-Seelen-Kommune. „Ich betrachte dieses Zimmer als eine Art Tabu-Zone. Aus Respekt vor Kurt“, verrät Natter.

Verwalten, entscheiden

Und trotzdem muss in der größten Marktgemeinde Österreichs ohne das gewählte Oberhaupt täglich verwaltet und auch entschieden werden. Dies findet zumeist im Amtsraum von Gemeinde­sekretär Eugen Kanonier (49) statt. Oder wo immer sich Vizebürgermeister Walter Natter aufhält. „Wir kommunizieren sehr gut miteinander“, versichern Kanonier wie auch Natter. „Bei den anfallenden Herausforderungen gilt es zu unterscheiden zwischen der Alltagsarbeit für die Kommune und strategischen Großprojekten. Ersteres läuft eigentlich routinemäßig ab, bei den Großprojekten wird von Fall zu Fall entschieden“, erklärt Kanonier, wie Lustenau derzeit politisch und verwaltungsmäßig tickt. Er selbst hat in seiner knapp zweijährigen Amtszeit als Chef des inneren Dienstes Lustenau noch kaum umfassend kennengelernt, „schon muss ich weiterreichende Dinge erledigen“. Die beiden Hauptverantwortlichen in der Gemeinde überlegen sich dabei ganz genau, wann sie den sich derzeit einer sehr belastenden Therapie unterziehenden Bürgermeister kontaktieren, und wann nicht.

Die kurzen Wege

Natter, der in Lustenau einen Stickereibetrieb führt, kommt täglich bis zu vier Mal auf die Gemeinde, um die aktuelle Lage zu checken, Verordnungen, Rechnungen und andere Amtspapiere zu unterzeichnen, sich mit den Spitzen der Verwaltung abzusprechen. Dazu gehört auch Finanzchef Klaus Bösch (49). „Wir sind hier natürlich die kurzen Wege gewohnt. Der Bürgermeister hat sein Zimmer nur über dem Gang. Da sind die Türen immer offen, und wenn etwas ist, bespricht man das direkt“, klärt Bösch über das gewohnte Prozedere auf. Auch er hat sich derzeit eine alternative Strategie zurechtgelegt. Kernpunkt dabei: „Kurt so wenig wie möglich zu belasten. Er will von sich aus, dass wir ihm Informationen zuschicken. Das tun wir selbstverständlich auch“, so Bösch. Sein Glück: Derzeit steht als Aufgabenbrocken der Rechnungsabschluss an – und nicht die Budgeterstellung. „Beim Rechnungsabschluss geht es um eine Zusammenfassung von Fakten.“

Ganz nahe am Bürger

Das Interesse der Bürger am kranken Bürgermeister fangen am stärksten die Damen beim Empfang und beim Bürgerservice auf. „Die Leute haben großes Interesse daran, wie es Kurt Fischer geht. Auffallend, wie viel Mitgefühl sie gezeigt haben und immer noch zeigen“, berichtet Simone Engel (38) von der Information im Parterre über ihre Alltagserlebnisse. „Viele trauen sich gar nicht wirklich fragen“, erzählt Birgit Bösch (57) vom Bürgerservice. Nachsatz: „Nur die, die dich kennen, wollen dann schon Genaueres über den Bürgermeister wissen.“

Sabine Lorenz allein zu Hause. Der Bürgermeister ist derzeit nicht da.
Sabine Lorenz allein zu Hause. Der Bürgermeister ist derzeit nicht da.