„Neues System kommt sehr teuer“

Vorarlberg / 08.10.2014 • 20:50 Uhr
Was wurde aus Elisabeth gehrer Gerer
Was wurde aus Elisabeth gehrer Gerer

Langzeit-Bildungsministerin Elisabeth Gehrer unterstützt Initiative „Pro Gymnasium“.

Bregenz. Seit sieben Jahren ist sie in Pension, doch als politisch denkender Kopf immer noch sehr aktiv: Elisabeth Gehrer, die ehemalige Unterrichtsministerin. Die Bregenzerin unterstützt die Initiative „Pro Gymnasium“ und glaubt nicht an ein bestimmtes Schulsystem als Lösung aller Bildungsprobleme. Zu den Bildungsplänen der neuen schwarz-grünen Landesregierung will sie sich nicht äußern. Die Schuldiskussion findet Gehrer medial aufgebauscht und zu sehr am Schlagwort Gemeinsame Schule aufgehängt. Sie räumt ein, als Unterrichtsministerin zwischen 1995 und 2007 auch Fehler gemacht zu haben.

Sie haben einmal gesagt, Sie wollen Schulpolitik nicht mehr kommentieren. Jetzt stellen Sie sich an die Spitze einer Petition fürs Gymnasium. Warum?

Gehrer: Ich sehe da keinen Widerspruch. Ich wurde von dieser Initiative, die in Tirol entstand, gefragt, ob ich mich für eine Versachlichung der Schuldiskussion einsetze. Dazu habe ich mich mit meiner Unterschrift bekannt. Und genau als das sehe ich diese Initiative: Als Beitrag zu einer Versachlichung der Diskussion über Bildung. Ich stehe übrigens nicht an der Spitze der Initiative, auch wenn vielleicht mein Name vorne auf der Liste aufscheint. Es geht um die Qualität des Unterrichts, nicht um die Organisation. Es gibt hervorragende differenzierte Schulsysteme doch genauso wie es Gesamtschulsysteme gibt, die sehr gut sind. Warum soll man viel Geld dafür verwenden, ein gewachsenes System zu ersetzen, statt in die Qualität zu investieren?

Aber diese Initiative, für die Sie unterschrieben haben, steht für die Beibehaltung der Gymnasiumlangform?

Gehrer: Ich sehe sie hauptsächlich als Aufforderung für eine sachliche Diskussion mit Punkten, die ich unterstützen kann.

Welche Punkte sind es, die Sie als vordringlichste Aufgaben sehen?

Gehrer: Zum Beispiel die umfassende Unterstützung für Volksschulen. Wir müssen doch alles daran setzen, dass die Kinder lesen, schreiben und rechnen lernen. Mit 15 ist es zu spät. Ich meine auch, dass wir jenen vertrauen sollten, die sich auskennen, nämlich den Lehrern. Wir brauchen gute Lehrer, die das bewerkstelligen.

Und das Gymnasium als Langform braucht es?

Gehrer: Ich sehe die Vorzüge des Gymnasiums in seinem vielfältigen Angebot, das auf die vielfältigen Begabungen eingeht. Im übrigen kann man auch als Nicht-Gymnasiast in unserem System alles erreichen. Es gibt genügend Schwerpunktschulen, die eine gute Ausbildung ermöglichen. Das Angebot in der Bildung ist sehr breit gestreut. Auch Hauptschüler, das zeigen doch die Zahlen, können alles erreichen. Noch einmal: Man soll nicht mit Gewalt ein neues System überstülpen, das sehr teuer kommt.

Jetzt haben wir im Land eine neue Regierung, die von einer Modellregion Vorarlberg spricht, in der womöglich auch eine Gemeinsame Schule Platz hat. Wie beurteilen Sie das?

Gehrer: Dazu gebe ich keine Stellungnahme ab. Die jetzt politisch Verantwortlichen im Land Vorarlberg müssen das tun, was sie glauben, tun zu müssen.

Ist Ihnen die Schuldiskussion ganz allgemein zu hitzig?

Gehrer: Ich finde, dass die Schuldiskussion viel zu sehr medial aufgebauscht ist. Der Begriff Gemeinsame Schule eignet sich gut für eine Schlagzeile, die man immer wieder verwenden kann. Man sollte die Lehrer auch einfach einmal nur arbeiten lassen, statt sich von Schlagzeilen hetzen zu lassen. Kommt hinzu, dass natürlich sieben Millionen Österreicher über Schule reden können. Schließlich war jeder einmal in der Schule und hat von dort seine G’schichteln. Die habe ich, und die haben Sie wohl auch.

Allerdings waren Sie nicht nur Schülerin, sondern Bildungs­ministerin der Republik. Ist man da nicht in einem Spannungsfeld verschiedener
Interessen hoffnungslos gefangen?

Gehrer: Unterrichtsminister sein ist eine schöne Aufgabe mit großen Herausforderungen. Natürlich gibt es Entscheidungen, die ich heute nicht mehr so fällen würde, wie ich sie damals gefällt habe.

Zum Beispiel?

Gehrer: Als ich verfügte, dass Überstunden nur noch dann bezahlt werden, wenn sie gehalten werden – also nicht mehr während Ski-oder Schullandwochen, kam es, dass Lehrer nicht mehr solche Wochen abhalten wollten. Das würde ich nicht mehr so machen.

Wie geht es Ihnen heute?

Gehrer: Gut. Ich bin jetzt 72, seit sieben Jahren in Pension und habe viel zu tun. Zum Beispiel arbeite ich derzeit gerade im Garten, wovon Sie mich momentan abhalten.

Es gibt Entscheidungen, die ich heute als Bildungsministerin so nicht mehr fällen würde.

Elisabeth Gehrer

Zur Person

Elisabeth Gehrer

72 Jahre alt; Unterrichtsministerin zwischen 1995 bis 2007; davor Vorarlberger Schullandesrätin (zwischen 1990 und 1995); Elisabeth Gehrer ist gelernte Volksschullehrerin, verheiratet und hat drei Söhne. Sie lebt in Bregenz.