„Geht darum, dass sich der Bürger wohlfühlt“

Vorarlberg / 03.11.2014 • 21:09 Uhr
Gaby Pils, Chefin von Cittaslow-Österreich, erklärt im VN-Interview, warum Bürgerbeteiligung nicht nur etwas elitäres ist. Foto: VN/Paulitsch
Gaby Pils, Chefin von Cittaslow-Österreich, erklärt im VN-Interview, warum Bürgerbeteiligung nicht nur etwas elitäres ist. Foto: VN/Paulitsch

Mit Cittaslow könnte Hohenems Teil eines großen Stadtentwicklungs-Projekts werden.

HOHENEMS. Cittaslow ist hierzulande noch ein unbekannter Begriff. Die Bewegung entstammt der Slow-Food-Bewegung und entstand 1999, als Bürger in Rom ein Fast-Food-Restaurant am Fuße der Spanischen Treppe verhinderten. Cittaslow ist ein Gütesiegel für Städte bis zu 50.000 Einwohner und zählt mittlerweile weltweit knapp 200 Städte. In Österreich sind es derzeit drei, nun zeigt auch Hohenems Interesse. Vergangenen Donnerstag veranstaltete die Stadt im Löwensaal eine Informationsveranstaltung für die Bürger. Die VN baten Cittaslow-Österreich-Geschäftsführerin Gaby Pils zum Interview.

Erklären Sie unseren Lesern bitte in wenigen Sätzen, was Cittaslow ist?

PILS: Das ist einfach: Citta­slow bedeutet, dass die Kinder noch in der fünften Generation in einer schönen, naturnahen und beruhigten Innenstadt leben können. Und dass auch die Enkel die Produkte beim Bauern ums Eck kaufen können.

Wie wird man Cittaslow-Stadt?

PILS: Cittaslow besteht aus einem italienischen und einem englischen Wort und bedeutet „langsame Stadt“. Wir haben einen Kriterienkatalog. Sieben große Gebiete umfassen unzählige kleine Kriterien, z. B. eine verkehrsberuhigte Innenstadt, Erhalt und Pflege der landschaftlichen Vielfalt und Gemeindeämter, die ihre Öffnungszeiten nach den Bedürfnissen der Bürger ausrichten. Wenn über 50 Prozent erfüllt sind, bekommt die Stadt dieses Siegel.

Und kann es behalten?

PILS: Es wird natürlich unregelmäßig und unangemeldet kontrolliert. Es könnte zweimal im Jahr oder nur alle drei Jahre jemand kontrollieren kommen.

Wie lange dauert es vom Wille bis zur Zertifizierung?

Pils: Das ist unterschiedlich. Es kommt darauf an, wie viel schon vorhanden ist und wie schnell eine Stadt die Punkte erfüllt. Hartberg brauchte zum Beispiel nur ein halbes Jahr, Braunau ist schon länger dran.

Was wäre in Hohenems schon vorhanden?

PILS: Der historische Stadtkern funktioniert, eine Umfahrungsstraße gibt es auch schon. Die Einwohnerzahl stimmt, die Innenstadt ist verkehrsberuhigt und naturnah.

Ist das auch ein Konzept für Tourismus-Orte?

PILS: Der Tourist ist nicht angesprochen, der Bürger soll sich wohlfühlen. Ein Cittaslow-Siegel lockt aber genau dadurch zusätzlich Gäste in die Stadt.

Wie kann man sich das vorstellen? Die Bürger haben eine Idee, kommen zum Verantwortlichen und dieser setzt es um, wenn es zu Cittaslow passt?

PILS: Nein. Die Projekte werden von der Kommune organisiert. Bürgerbeteiligung ist sehr wichtig.

Das klingt alles sehr theoretisch, haben Sie konkrete Beispiele?

PILS: In Enns musste der Glockenturm renoviert werden. Zunächst wollte es niemand machen. Einige Wirtschafts­treibende haben sich dann zusammengeschlossen und da oben ein Prestigeprojekt gebaut: ein Hotelzimmer. Auch eine neue Disco für die Jugend wurde errichtet, initiiert von den Jugendlichen selbst, unter den Kriterien und dem Dach von Cittaslow.

Bürgerprojekte bergen die Gefahr, dass ein recht kleiner und elitärer Kreis von Menschen das Wort für die ganze Stadt ergreift.

PILS: Wir sind unparteiisch und dadurch gibt es keine Hemmschwelle. Es kommen wirklich Bürger aus allen Schichten zu uns, um ihre Ideen vorzustellen und zu verwirklichen.

Was zahlt die Stadt, um dabei sein zu können?

PILS: Die Zertifizierung kostet 1000 Euro. Der jährliche Mitgliedsbeitrag beträgt insgesamt 2500 Euro. Dafür begleiten wir die Städte und unterstützen sie bei ihren Projekten. Die Mitgliedschaft kostet im ersten Jahr 1000 Euro weniger, also genau den Betrag zur Zertifizierung.

In Hohenems gibt es ein Fast-Food-Restaurant. Ist das ein Ausschlusskriterium?

PILS: Nein, in Enns gibt es auch eines. Es soll immer noch jeder selbst entscheiden, was er isst.

Gaby Pils, Chefin von Cittaslow-Österreich, erklärt im VN-Interview, warum Bürgerbeteiligung nicht nur etwas Elitäres ist.  Foto: VN/Paulitsch
Gaby Pils, Chefin von Cittaslow-Österreich, erklärt im VN-Interview, warum Bürgerbeteiligung nicht nur etwas Elitäres ist. Foto: VN/Paulitsch

Zur Person

Dr. Gaby Pils

Geschäftsführerin Cittaslow Österreich und Stadtmarketing Enns.

Geboren: 26.5.1955

Ausbildung: Ausbildung zur Großhandelskauffrau. Studium der Fächer Marketing, Soziologie und Philosophie

Beruf: Leitung Stadtmarketing Enns, Geschäftsführerin Cittaslow Österreich

Mehr Informationen im Internet unter www.cittaslow.org