Viel Disziplin fürs kleine Tüpfle mit großem Echo

Schon zehn Jahre liefert Gabi Fleisch (55) ihren täglichen Spruch für die VN-Leser.
Götzis. Heiter, frech, fröhlich, besinnlich, traurig: Tagtäglich liefert die Götzner Kabarettistin Gabi Fleisch den VN-Lesern einen kurzen Gedanken zum Tag. Gedanken, die mitten aus dem Leben gegriffen sind, aber auch einiges von der Gemütslage der Autorin preisgeben. „Als mich vor über zehn Jahren der damalige VN-Chefredakteur Christian Ortner fragte, ob ich das i-Tüpfle machen wolle, habe ich spontan Nein gesagt. Als er meinte, ich solle mir das einen Monat lang überlegen, kam dann alles anders“, erinnert sich die Götznerin. Dann sei auf einmal die Neugierde gekommen. Als sich dann auch noch der Ehrgeiz dazugesellte, hat sie es gewagt.
Das schwarze Büchlein
Ihr Leben habe sich seither verändert. „Es kam, wie ich befürchtet hatte. Es kennt mich nun jeder Hund. Ich werde überall angeredet.“ Gabi Fleisch kann mit dieser Popularität gut leben. „Auch wenn es nicht immer ganz leicht ist. Aber es ist ja letztlich eine Anerkennung. Und das freut mich doch.“ Das tägliche i-Tüpfle zwang Gabi Fleisch einen neuen Lebensrhythmus auf. So hätten sich ihre Lauschorgane zu Elefantenohren entwickelt. „Überall, wo ich unters Volk komme, höre ich nun genau hin. Ich will wissen, was die Leute denken und sagen.“ Ihr ständiger Begleiter ist dabei ein schwarzes Büchlein. „Darin notiere ich Dinge, die ich wahrnehme.“ Die konkreten Ideen zum i-Tüpfle kommen ihr dann meistens zu Hause, wenn sie allein ist. Das tägliche Werk entsteht schließlich entweder am späten Vormittag oder am später Nachmittag. Wenn ihr eine Zeit lang nichts einfällt, geht die Mutter eines 17-jährigen Sohnes joggen. „Spätestens während des Laufens kommen die Ideen. Das Joggen befreit den Kopf und macht mich kreativ“, verrät Fleisch die kleinen Geheimnisse hinter dem täglichen VN-Spruch. Gerne holt sie sich aber auch eine Idee von ihrem Lebenspartner. „Aber das funktioniert nur, wenn von ihm spontan etwas kommt. Wenn er anfängt zu überlegen, wird nichts draus.“
Die Grenzen
Nicht immer fällt es ihr leicht, den Humor zu behalten. „Die vielen schrecklichen Dinge, die täglich in der Welt passieren, lassen einen ja nicht kalt.“ Nicht zuletzt deswegen, aber auch wenn es ihrem persönlichen Gemütszustand entspricht, sind ihre i-Tüpfle nicht immer nur Ausdruck von Fröhlichkeit. „Ich glaube, dass die Leser mittlerweile über meine Befindlichkeit Bescheid wissen. Obwohl ich schon sehr darauf achte, keinen Seelenstriptease zu vollführen. Es gibt Grenzen für die Preisgabe von Gefühlen. Diese Grenzen muss man für sich selbst einhalten.“
Wütender Protest schlug ihr einmal aus Lehrerkreisen entgegen. Einige Pädagogen warfen ihr sogar Hetze vor. „Wänn a Walza übr an Lehrer fahrt, dänn kut a Ferienplakat ussa“, erdreistete sich die goscherte Götznerin zu tüpfeln. Sie erntete einen Sturm der Entrüstung.
Die leidenschaftliche Kabarettistin will keine Gefühle in negativer Form in Wallung bringen. „Deswegen ist es nicht immer leicht, einerseits frech zu sein, andererseits niemanden zu beleidigen.“
Es kam wie befürchtet. Es kennt mich jetzt jeder Hund.
Gabi Fleisch