“Das finde ich wirklich übel”

Hotelier Gregor Hoch hat Flüchtlinge aufgenommen. Und viel Berührendes erlebt.
Lech. Gregor Hoch (38) ist Chef des Lecher Hotels Sonnenburg und Vorsitzender der österreichischen Hoteliersvereinigung. Sein Personalhaus steht im Sommer leer. Am 19. Juni zogen 16 Flüchtlinge ein, sie bleiben bis Oktober. Im Interview spricht er über die Pflicht, der Gesellschaft etwas zurückzugeben, und was ihn an der Politik stört.
Wie haben die Lecher reagiert, als sie zum ersten Mal hörten, dass Flüchtlinge in die Sonnenburg kommen?
Hoch: Einige haben kritisch vorsichtig Fragen gestellt. Aber niemand war strikt dagegen. Wahrscheinlich, weil man hier eine gewisse Nähe zur Internationalität hat.
Was für Fragen?
Hoch: Zum Beispiel: Kann ich mich noch mit dem Bikini auf die Terrasse legen oder fühlen die sich irgendwie kulturell angegriffen? Jeder durfte alles ganz offen fragen, wir hatten zwei Informationsveranstaltungen. Wenn man entspannt und vernünftig zusammensitzt und darüber redet, löst man alle Probleme.
Wie funktioniert das Zusammenleben?
Hoch: Klar gab’s kleinere Reibereien. Wie überall, wo Menschen zusammen wohnen. Zum Beispiel bei der Mülltrennung. Wir haben einfach miteinander geredet, dann hat alles geklappt. Wir profitieren sogar voneinander. Wir durch den intensiven Kontakt zur arabischen Kultur. Die Flüchtlinge haben viele unserer kulturellen Ideen und Vorgaben aufgenommen.
Was haben Sie persönlich erlebt?
Hoch: Es hat sehr berührende Erlebnisse gegeben. Da sitzt ein Mensch ganz normal gegenüber und erzählt Dinge, bei denen man nicht für möglich hält, dass ein Mensch so etwas durchhält.
Was für Dinge?
Hoch: Wie es ist, die Familie im Flüchtlingscamp zurückzulassen, weil man weiß, sie werden die Reise nicht überleben. Wie es ist, hierherzukommen und unterwegs an jeder Ecke bedroht, ausgenommen und bestohlen zu werden. Wie es ist, körperliche Dinge zu erleiden, welche die wenigsten hier in Österreich aushalten würden.
Wie geht es Ihnen, wenn Sie das hören?
Hoch: Wer bei so einer Geschichte keine Tränen in den Augen hat, hat ein Herz aus Stein. Man wird unheimlich dankbar, dass man in einem Land lebt, wo es halbwegs sicher ist. Wir leben auf einer Insel der Seligen. Den meisten Menschen auf der Welt geht es schlechter als den Leuten hier in Österreich.
Hatte Ihre Initiative eine Vorbildfunktion?
Hoch: Es hat nicht jeder einen Personaltrakt im Haus. Aber Herz zeigen und was tun kann jeder. Und zwar so, dass es kein Problem für den Helfer darstellt. Wir leben in einer der reichsten Gesellschaften, die es gibt. Ich halte es für wichtig, dass sich jeder fragt: Was kann ich zurückgeben? Ob das beim Tierschutzverein ist, beim SOS-Kinderdorf, beim Alpenverein oder bei Flüchtlingen, ist nebensächlich.
Was würden Sie ändern, wenn Sie in der Regierung wären?
Hoch: Ich halte es für einen katastrophalen Fehler, dass Asylwerber nicht arbeiten dürfen. Sie wären selbstbewusster, würden ein bisschen Geld verdienen, wären integriert. Da sind viele Hochgebildete dabei. Wir haben einen Pharmazeuten hier, oder einen Maschinenbauingenieur.
Wie erleben Sie die öffentliche Diskussion?
Hoch: Es dreht sich viel um Verdrängungsangst und Neid. Diese Menschen wären doch alle lieber daheim. In einem Zuhause, wo sie ihre Kinder sicher auf die Straße lassen können und sich nach der Arbeit irgendwo mit Freunden treffen können, ohne Angst zu haben, in die Luft gesprengt oder erschossen zu werden.
Und vonseiten der Politik?
Hoch: Es gibt Leute, die auf dem Rücken dieser Menschen politisches Kleingeld wechseln. Das finde ich wirklich übel.
Wie werden wir die Situation meistern?
Hoch: Es lässt sich nur auf EU-Ebene lösen. Und auf der kleinsten Ebene, nämlich der der Einzelpersonen. Jeder kann einen Beitrag leisten. Aber ich bin kein Experte. Ich bin nur einer, der gesagt hat: Etwas tun tut mir nicht weh. Und ich mache es gern.
Sie wollen Freunde treffen, ohne Angst zu haben, erschossen zu werden.
Zur Person
Gregor Hoch
Geschäftsführer des Hotels Sonnenburg in Lech. Präsident der österreichischen Hoteliersvereinigung. Hat im Personalhaus seines Hotels 16 Flüchtlinge aufgenommen.
Geboren: 27. August 1977
Familie: verheiratet, drei Kinder