„Wild spazierte in Kuhherde“

Vorarlberg / 18.02.2016 • 20:17 Uhr
Thomas und Christine Fitsch in ihrem leeren Stall. Eine unheimliche Atmosphäre. Foto: VN/Steurer
Thomas und Christine Fitsch in ihrem leeren Stall. Eine unheimliche Atmosphäre. Foto: VN/Steurer

Alle Tiere verloren. Jetzt planen die Fitschs ihr zweites Leben als Viehbauern.

Bartholomäberg. Der Tag wäre geschaffen für die perfekte Illustration von Romantik am Bauernhof. Ein fein gepflegtes Anwesen mit frisch geschindeltem Wohngebäude, veredelt durch Kaiserwetter inmitten eines bezaubernden Stücks Natur. Wenn da nur nicht diese fast aufdringliche Stille im Stall wäre. Dort, wo noch vor fünf Tagen Lilly, Lara, Schnecke, Hedi oder Bambi muhten und raschelten. Die Rinder, 18 Tiere insgesamt, sind alle tot. Geschlachtet in der Tierkörperverwertungsanlage in Koblach, nachdem mehr als 40 Prozent des Bestandes positiv auf den TBC-Erreger getestet worden war.

Die Ausreden

Thomas (50) und Christine Fitsch (46) haben sich vom anfänglichen Schock halbwegs erholt. Obwohl die Verbitterung noch tief steckt. Die Verbitterung darüber, dass es ausgerechnet sie mit voller Wucht erwischt hat. Aber auch darüber, dass ihre Warnungen und Appelle ungehört verhallten. „Wir haben den Jägern immer wieder eindringlich gesagt, dass der Wildbestand in dieser Gegend viel zu hoch ist. Aber von ihnen kamen immer wieder Ausreden, warum sie nicht jagen: Das Wild sei trächtig, der Jagdherr nicht da, die Tiere seien zu jung, jetzt sei nicht die richtige Zeit zum Jagen und so weiter“, berichtet Thomas Fitsch.

Er zeigt auf den gegenüberliegenden Hügel. „Dort streift das Wild oft in Siebener-Gruppen herum. Es vergeht kaum ein Tag, an dem wir keines sehen. Wir haben die Hirsche und Rehe sogar schon mitten unter unseren Kühen gesehen, wenn wir die draußen hatten.“ Die Vermutung liegt auch für den Bauern nahe, dass sich seine Tiere vor der Haustür angesteckt haben.

Lob für Veterinär

Die Stunden und Tage des Dramas um ihren Viehbestand werden Thomas und Christine nie vergessen. Als zuerst der Bürgermeister anrief, später gemeinsam mit dem Bezirksveterinär vorbeikam und die schreckliche Nachricht übermittelte. Als dann, am Sonntag, auch Landesrat Schwärzler ihren Hof betrat, ihnen Mut zusprach und Hilfe zusagte. Den Bezirksveterinär loben sie. „Der Dr. Netzer macht das alles sehr gewissenhaft. Er hat mehrmals getestet, um sicher zu sein.“

Das Betreten der leeren Ställe hat für die Landwirte immer noch etwas Unheimliches. Es riecht dort nach dem Reinigungsmittel. „Wir putzen alles gründlich durch. Später kommt noch die Feuerwehr und bringt Desinfektionsmittel auf“, sagt Christine Fitsch. Dem Reinigungsprozedere kommt für die Fitschs auch eine symbolische Bedeutung zu. Es heißt: Gemeinsam mit dem Sohn werden sie einen Neubeginn wagen.

Neue Kühe

Ein Leben ohne Rinder ist für Familie Fitsch keines. Warum sich der bei der Montafoner­bahn beschäftigte Nebenerwerbslandwirtschaft das antut, kann er nicht logisch erklären. „Wir könnten ein Grundstück verkaufen und stressfreier leben. Aber wenn du mit Tieren aufwächst, so wie wir, und wenn du dann siehst, wie deine Kinder ihre Liebe zum Vieh entwickeln und Kälble aufziehen, dann kannst du nicht anders.“

Bald werden Fitschs wieder Kühe bekommen. Und hoffentlich nie wieder so verlieren.

Wir können gar nicht anders, als wieder Kühe herbringen.

Thomas Fitsch