„Ich schaue ihnen nicht in die Augen“

Vorarlberg / 15.03.2016 • 18:37 Uhr
Dr. Oswald Kessler bei seiner Arbeit. Er entnimmt Organe.
Dr. Oswald Kessler bei seiner Arbeit. Er entnimmt Organe.

TBC-Rinder auf ihrem letzten Gang. Lokal­augenschein in der TKV Koblach.

Koblach. Das Kälbchen steht ängstlich im gerade aufgebauten Gatter mit den dicken Metallstäben. Drei Monate alt ist es. Älter wird es nicht werden. Genauso wenig die vier anderen Rinder, die vom Transportwagen in die zwei getrennten Bereiche des Gatters geführt wurden und dort auf ihren Tod warten. Es sind die jüngsten Opfer der Rinder-TBC. Vielleicht haben sie diese gar nicht, aber sie müssen sterben, weil sie beim TBC-Test Reaktionen zeigten. In der Fachsprache heißt das diagnostische Tötung. Sie alle befinden sich in der großen Halle der Tierkörperverwertungsanlage in Koblach.

Vier Veterinäre vor Ort

Das Kälbchen tut sogar dem anwesenden Landesveterinär Norbert Greber (52) leid. „Es kommt leider von einem Hof, an dem offene TBC auftrat. Zudem war es beim Test positiv. Keine Chance, es leben zu lassen“, erklärt Greber die traurige Geschichte des jungen Tiers. Anwesend sind auch die Veterinärärzte Dietmar Rein vom Bezirk Bregenz sowie dessen Kollegen Oswald Kessler (57) vom Bezirk Feldkirch und Markus Netzer (59) vom Bezirk Bludenz. Sie müssen da sein, denn die dem Tod geweihten Rinder kommen aus diesen drei Bezirken.

Die Veterinäre müssen den Tieren nach der Tötung Proben der wichtigsten Organe entnehmen und diese nach Mödling ins Labor der Agentur für Ernährungssicherheit schicken. „Es ist keine angenehme Arbeit“, sagt Oswald Kessler. „Leider sind wir sie in diesem Winter schon gewohnt.“

Irritiert, unruhig

Es ist bitterkalt in der großen Halle. Eifrig spritzen Mitarbeiter der TKV die Transportwagen sauber, in denen die Tiere nach Koblach transportiert werden. Hygiene ist oberstes Gebot in der im Besitz des Landes befindlichen Anlage. Geschlachtet und getötet wird dort gewöhnlich nicht. „Wir bekommen ja sonst nur bereits tote Tiere, um sie dann ihrer Verwertung zuzuführen“, informiert Karin Böckle (59), Geschäftsführerin der TKV Koblach.

Das Metallgatter, in dem die positiv auf den TBC-Erreger getesteten Tiere ihre letzten Minuten verbringen, wurde erst vor zwei Jahren angeschafft. „Es gab vorher einige Zwischenfälle mit Mutterkühen. Die haben sich gewehrt, und das wurde für die Mitarbeiter hier gefährlich“, berichtet Norbert Greber. Die heute herbeigeschafften fünf Rinder aus dem Leiblachtal sowie aus dem Montafon sind nicht gefährlich. Sie sind irritiert, kennen sich nicht wirklich aus und schauen unruhig um sich. „Das ist logisch. Sie befinden sich in einer ungewohnten Umgebung mit Menschen, die sie nicht kennen“, erzählt Greber.

Keine Emotionen

Bald sind die Reinigungsarbeiten beendet. Dann ist es so weit. Metzger Jürgen Nesensohn (33), der selber einen Bio-Bauernhof bewirtschaftet, macht sich bereit. Gerne tut er diese Arbeit in der TKV nicht. „Das sind ja keine Tiere, die für das Schlachten bestimmt sind. Ich kann mich gut in die Haut der Bauern hineinversetzen. Ich schaue den Tieren auch nicht in ihre Augen. Ich konzentriere mich auf den handwerklichen Teil der Arbeit. Emotionen muss ich fernhalten.“ Professionell erledigt er anschließend sein Handwerk, während die Bezirksveterinäre darauf warten, die ihrige zu tun. im Büro spricht Greber kurz mit seinem Kollegen Netzer. Dieser unterrichtet ihn über die aktuelle Lage im Klostertal und im Silbertal, den TBC-Kerngebieten. Dort ist die Arbeit für ihn noch nicht fertig. „Es muss noch auf einigen Höfen getestet werden.“

Greber würde sich gerne mit seinen Mitarbeitern nicht mehr in der Tierkörperverwertungsanlage Koblach treffen müssen. Es wäre ein Zeichen dafür, dass der TBC-Spuk nach Monaten endlich vorbei ist. Zumindest für heuer.

Das Metallgatter brauchen wir aus Sicherheitsgründen.

Norbert Greber
Zwei der fünf Rinder, die am Dienstag in der Tierkörperverwertungs­anlage Koblach auf ihren Tod warteten.   Fotos:VN/Hartinger
Zwei der fünf Rinder, die am Dienstag in der Tierkörperverwertungs­anlage Koblach auf ihren Tod warteten.  Fotos:VN/Hartinger