Stadt-Land
„Stadt-Land“ ist nicht nur ein unterhaltsames Spiel für Kinder, sondern auch unter Politikern beliebt. Sie spielen „Stadt-Land“ am liebsten dann, wenn die Verhandlungen um einen neuen Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, so wie jetzt, in eine heiße Phase getreten sind.
Im Mittelpunkt dieses „Stadt-Land“-Spiels steht der sogenannte abgestufte Bevölkerungsschlüssel. Dieser Begriff klingt nicht nur kompliziert, er ist es auch. Vereinfacht gesagt erhalten die Gemeinden finanzielle Mittel aus dem Finanzausgleich grundsätzlich entsprechend ihrer Einwohnerzahl. Allerdings erhalten sie unverhältnismäßig mehr Geld, wenn sie über 10.000 Einwohner aufweisen. Die nächste Stufe beginnt bei 20.000 Einwohnern und am besten steigen Gemeinden aus, die über 50.000 Einwohner haben.
Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel begünstigt somit die großen Städte, und das ausgerechnet in einem Land wie Österreich, in dem auf Gleichbehandlung und Solidarität so viel Wert gelegt wird. Erfunden wurde der abgestufte Bevölkerungsschlüssel – wie so vieles – vor langer Zeit: Er war besonders nach dem Zweiten Weltkrieg bedeutsam, weil die Städte die viel größeren Lasten an Zerstörungen zu tragen hatten als die Landgemeinden. Damals war eine Privilegierung beim Finanzausgleich daher durchaus gerechtfertigt.
Manche versuchen, das Privileg heute mit dem Argument zu rechtfertigen, dass die größeren Orte auch die größeren Investitionen zu finanzieren hätten: Vom Hallenbad über den Ortsbus bis zum großen Veranstaltungssaal. Das mag ansatzweise stimmen, in vielen Fällen wird damit aber nur Verschwendung gerechtfertigt, weil sich die großen Gemeinden dadurch einfach mehr leisten können.
Eine wissenschaftlich einigermaßen fundierte Begründung für den abgestuften Bevölkerungsschlüssel gibt es nicht. Um zu verhindern, dass der Verfassungsgerichtshof diese Ungerechtigkeit einmal aufgreifen könnte, wurde diese Regelung schon vor gut 20 Jahren in Verfassungsrang gehoben und damit für den VfGH unangreifbar gemacht. Wenn es passt, wird eben auch bei uns das Verfassungsgericht ausgeschaltet, nur etwas eleganter als vielleicht anderswo.
Im Mittelpunkt dieses ,Stadt-Land‘-Spiels steht der sogenannte abgestufte Bevölkerungsschlüssel.
peter.bussjaeger@vorarlbergernachrichten.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus
und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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