Neue Mittelschule kontra AHS

Zusätzliche erste Klasse im Lustenauer Gymnasium. Mittelschulen sind verärgert.
Lustenau. Die Direktoren der Neuen Mittelschulen in Lustenau haben einen Maulkorb bekommen. Sie dürfen nicht darüber reden, was einige ihrer Lehrer maßlos aufregt: Dass es nämlich im kommenden Schuljahr am örtlichen Gymnasium eine zusätzliche erste Klasse geben wird. „Was nichts anderes bedeutet, als dass wir noch mehr ausgehöhlt werden, zu einer Art Restschule, der möglichst viele talentierte Kinder genommen werden“, sagt eine enttäuschte Pädagogin.
Schweigsame Direktoren
Die drei Direktoren der Lustenauer Mittelschulen dementieren das nicht. Am gesprächigsten zu diesem Thema ist noch Gerald Fröhle (52), Schulleiter der NMS Hasenfeld. „Wir wurden über diesen Schritt am Gymnasium nicht informiert. Zu diesem gibt es überhaupt einen schwachen Kommunikationsfluss. Klar freut uns eine solche Entwicklung nicht. Überrascht hat mich dieser Schritt nicht“, sagt Fröhle. Irmgard Scheffknecht (54), Direktorin der Mittelschule Kirchdorf, will „keinen Wirbel verursachen“. Man habe sich zu Loyalität gegenüber dem Landesschulrat verpflichtet und wolle die Dinge intern regeln. Das einzige, was Scheffknecht über die Lippen kommt: „Ich habe natürlich auch keine Freude damit. Aber uns wurde gesagt, es würde nur heuer so sein.“ Gerd Neururer (51) von der Mittelschule Rheindorf beißt sich auf die Lippen. „Ich darf dazu nichts sagen. Nicht jetzt. Ich bitte um Verständnis.“
Guntram Zoppel (62), Direktor des BG Lustenau, begründet die Eröffnung einer vierten ersten Klasse für das Schuljahr 2016/2017 wie folgt: „Wir hatten heuer 100 Bewerber, die alle die Aufnahmekriterien erfüllten. Das waren bis zu 20 mehr als in den Jahren zuvor. Deswegen haben wir um die Eröffnung einer zusätzlichen ersten Klasse angesucht, zumal wir auch über die räumlichen Voraussetzungen dafür verfügen. Das wurde uns genehmigt.“
Dass ein Deal zwischen Landesschulrat und den Lustenauer Mittelschuldirektoren geschlossen wurde, bestätigen Pflichtschul-Landesinspektorin Karin Engstler (58) und AHS-Landesschulinspektorin Christine Schreiber. „Ja, das stimmt. Die Lustenauer Mittelschulen wurden ersucht, die Situation, so wie sie heuer ist, zu akzeptieren. Dafür soll es ab übernächstem Schuljahr auf Dauer wieder nur drei erste Klassen am BG Lustenau geben“, sagt Engstler. Für Schreiber stellt sich die Eröffnung einer zusätzlichen ersten Klasse an der AHS als unvermeidlich dar. „In Lustenau gab es von einem Jahr auf das andere doppelt so viele ‚Sehr gut‘ bei Volksschulabgängern.
Das wird zu hinterfragen sein. Für heuer sahen wir keine andere Möglichkeit, als eine zusätzliche erste Klasse zuzulassen. Es hätten sonst nur ‚Sehr gut‘-Schüler von der Volksschule aufgenommen werden dürfen“, beschreibt Schreiber das Dilemma aus ihrer Sicht.
Zadras Kritik
Kritik an der Ausrichtung des Gymnasiums übt der Bildungssprecher der Grünen im Landtag, Daniel Zadra (31). Der Lustenauer sieht das Problem der Schule in deren Oberstufe. „Es gibt dort keine Schwerpunkte für Technik oder berufsnahe Bereiche, keine Kooperationen mit der Industrie oder Unternehmen. Das heißt: Es gibt wenig Anreize für Schüler, nach der Unterstufe weiter an der Schule zu bleiben. Deshalb zerbröseln die Oberstufenklassen und es werden zusätzliche erste Klassen eröffnet. Ein völlig falscher Weg“, so Zadra. Für Engstler sind Zustände wie in Lustenau der beste Beweis für die Notwendigkeit einer gemeinsamen Schule.
Eine solche Entwicklung freut uns klarerweise nicht.
Gerald Fröhle