„Brauchen echte Vergleiche“

Vorarlberg / 22.07.2016 • 23:10 Uhr
Im VN-Interview nahm Sonja Hammerschmid zu aktuellen Schulthemen Stellung. Foto: VN/Hofmeister
Im VN-Interview nahm Sonja Hammerschmid zu aktuellen Schulthemen Stellung. Foto: VN/Hofmeister

Ministerin für volle Transparenz bei der Matura unter bestimmten Bedingungen.

Bregenz. Die neue Bildungsministerin gibt sich bei vielen Themen noch sehr zurückhaltend. Ein Ja zu einer Modellregion Vorarlberg kommt für sie nur bei einer Unterstützung durch den Koalitionspartner ÖVP infrage. Als ersten Schwerpunkt ihrer Arbeit nennt sie die Autonomie der Schulstandorte.

Sie sind erst seit 18. Mai dieses Jahres als Bildungsministerin im Amt. Wie sieht Ihre Kurzzeitbilanz aus?

Hammerschmid: Ich habe ein sehr spannendes Ressort übernommen, das in alle Politikbereiche zentral hineinwirkt. Bildung ist das zentrale Element für unsere Gesellschaft, vor allem um diese zu gestalten. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich dieses Ressort auch gestalten darf.

Stichwort zentral: Ihr Amtsantritt fiel in die erste flächendeckende Zentralmatura in Österreich hinein. Wie sieht da Ihre Bilanz aus?

Hammerschmid: Weil sie zum ersten Mal flächendeckend stattfand, war sie eine Gesamtschau fürs System. Es war für uns wichtig zu sehen, wie die einzelnen Schulstandorte abgeschnitten haben. Wir haben einiges bemerkt. Zum Beispiel auch, dass es 112 Klassen ohne Mathematik-„Nicht genügend“ gab. Andererseits gab es wieder sehr viele Klassen mit einer hohen Zahl an negativen Beurteilungen. Die gesammelten Daten bilden die Grundlagen, um mit dem Ziel, die Qualität flächendeckend zu verbessern und gezielt auf die einzelnen Standorte einzugehen, gemeinsam mit den Pädagoginnen und Pädagogen zu arbeiten.

Sie kennen die Maturaergebnisse der einzelnen Maturastandorte, die Öffentlichkeit nicht. Vizekanzler Mitterlehner hat im VN-Interview diese Transparenz eingefodert. Warum gibt es sie nicht?

Hammerschmid: Es besteht eine große Gefahr, dass Schulen an den Pranger gestellt werden, wenn diese Ergebnisse einfach so hinausgegeben würden. Wir werden aber darauf hinarbeiten, dass diese Veröffentlichungen möglich sind. Dazu braucht es zum einen eine gesetzliche Grundlage, zum anderen die Erarbeitung bestimmter Kriterien, die eine echte Vergleichbarkeit ermöglichen. Man muss ja auf die Rahmenbedingungen der Schulstandorte achten. Dazu zählen die Eltern, der Migrationshintergrund oder die Heterogenität der Klassen.

Können wir davon ausgehen, dass diese Rahmenbedingungen für eine Veröffentlichung der Maturastandortergebnisse bis zur nächsten Reifeprüfung erarbeitet sind?

Hammerschmid: Wir müssen sehen, wie lange das alles dauert. Wir werden für die Kriterienerstellung Zeit brauchen, aber diese Zeit möchte ich mir nehmen. Es ist gut investierte Zeit.

In Vorarlberg haben sich alle Parteien im Landtag für die Einrichtung einer Modellregion ausgesprochen. Dazu gehört die flächendeckende Einführung einer gemeinsamen Schule, und nicht nur für 15 Prozent. Werden Sie dieses Vorhaben unterstützen?

Hammerschmid: Die 15-Prozent-Regelung wurde für das vorliegende Paket im Rahmen der Bildungsreform beschlossen. Es würde ein Aufschnüren des Pakets benötigen, um diese Regelung zu ändern. Wir müssen mit dem Koalitionspartner diskutieren, wie man mit dem Beschluss umgeht. Ich gehe davon aus, dass wir gute Lösungen finden werden. Wir müssen auch eines wissen: Machen wir das Paket auf, dann wollen auch andere ihre Wünsche berücksichtigt sehen. Dass eine gemeinsame Schule aus sozialdemokratischer Sicht wünschenswert wäre, ist allerdings kein Geheimnis.

Die Bildungsreform sieht unter anderem auch die Schaffung von Bildungsdirektionen in den Ländern vor. Sie sollen von Ländern und Bund gemeinsam geführt werden. Wäre es nicht besser, einen einzigen Verantwortlichen zu haben?

Hammerschmid: Ich bin sehr für effiziente, transparente Strukturen, die gut wirken können. Aber auch hier gilt: Wir müssen das mit dem Koalitionspartner diskutieren.

Aber Effizienz kann durch solche Mischkompetenzen doch nicht erreicht werden.

Hammerschmid: Mehr werde ich dazu jetzt nicht sagen. Lassen Sie uns bitte arbeiten.

Schulautonomie ist eines Ihrer zentralen Themen. Wie weit sind wir da?

Hammerschmid: Da ist schon jetzt vieles möglich. Wir befinden uns bei diesem komplexen Unterfangen bereits tief in der legistischen Arbeit. Das ist ein Riesenprojekt, wofür die organisatorischen, pädagogischen, finanziellen und personellen Fragen geklärt werden müssen. Da spielt auch das Schulclusterpaket mit hinein. Das bedeutet den Zusammenschluss von Schulstandorten bei Verwaltung und Management. Damit würden wir viel effizienter und könnten mit freiwerdenden finanziellen Mitteln mehr gestalten.

Wenn man in Vorarlberg von Zusammenschluss von Schulstandorten hört, läuten die Alarmglocken. Sollen ländliche Kleinschulen verschwinden?

Hammerschmid: Nein, darum geht es nicht. Die können ja Teil eines Schulclusters sein. Soll heißen: Schulen in einer Region organisieren sich gemeinsam. Da ist viel drinnen, vor allem auch im pädagogischen Austausch.

Welche anderen Schwerpunkte sind Ihnen in nächster Zeit wichtig?

Hammerschmid: Wichtig ist alles, was in den Klassenzimmern ankommt und bei den Kindern wirkt. Ich denke da zum Beispiel an den Übergang von den Kindergärten in die Volksschulen. Die Informationen, die von der Elementarpädagogik in die Volksschulen gehen, sollen Aufschluss über Stärken und Talente der Kinder geben, aber auch über den Nachholbedarf in bestimmten Bereichen. Dieses Paket haben wir im Rahmen der Bildungsreform bereits beschlossen.

Als Bildungsministerin gerät man oft zwischen die Fronten von Parteien und Ideologien. Wie geht es Ihnen damit?

Hammerschmid: Mir ist bewusst, dass Politik das Erarbeiten von guten Lösungen bedeutet. Ich habe in meinem beruflichen Leben immer inhaltlich gearbeitet. Und wenn wir das Ziel, den Kindern die beste Bildung zu bieten, nicht aus den Augen verlieren, dann muss es gelingen, gute Lösungen zu finden.

Zur Person

Dr. Sonja Hammerschmid

Sonja Hammerschmid ist studierte Biologin. Nach Tätigkeiten in der Wirtschaft war sie Rektorin der Veterinärmedizinischen Fakultät an der Uni Wien und später Präsidentin der österreichischen Universitätskonferenz.