Entmündigung wegen Denunziation

Vorarlberg / 02.08.2016 • 18:18 Uhr

VN-Ombudsmann kritisiert heimische Gerichte: „Sie besachwaltern Menschen zu schnell.“

Schwarzach.  Auszüge aus dem Brief eines besachwalterten Frühpensionisten an VN-Ombudsmann Gottfried Feurstein (77): „Meine Monatspension beträgt 660 Euro. Von meinem Sachwalter bekomme ich wöchentlich 100 Euro überwiesen. Von meiner Pension 2015 hat er mir 3000 Euro vorenthalten, wo ich nötig gebraucht hätte, Ich habe kürzlich um einen Besprechungstermin bei der Rechtspflegerin angerufen, sie hat mich schroff abgewiesen und aufgelegt. 2008 wurde mir wegen zu hoher Schulden ein Sachwalter zur Seite gestellt. In der Zeit hat er mich nicht einmal persönlich besucht und es hat kein gutes Gespräch mit mir stattgefunden.“

Gottfried Feurstein konnte dem verzweifelten Mann helfen. „Eigentlich hätte man ja den Sachwalter auswechseln müssen. Das geschah zwar nicht, aber immerhin hat meine Intervention beim Bezirksgericht Bludenz dazu geführt, dass der Mann vom Sachwalter mehr Geld bekam.“

Gefährliche Unordnung

Ein anderer Fall aus Bludenz. Im Rahmen des Besuchs bei einer 70-jährigen Dame findet ein Stadtbediensteter, dass es in der Küche der Pensionistin chaotisch sei. Er macht Meldung ans Bezirksgericht. Die Dame wird dort tatsächlich vorgeladen. „Ich habe sie dorthin begleitet“, sagt Gottfried Feurstein. Nach dem Besuch einer Sachbearbeiterin des IfS in der Wohnung der Frau wurde von einer in Erwägung gezogenen Besachwalterung Abstand genommen, das Verfahren eingestellt.

Ein Fall in Dornbirn. Ein Mann hatte viele Dinge um sein Haus herum liegen. Ein Vertreter der Stadt wandte sich ans Gericht. Die Dinge in Richtung Entmündigung nahmen ihren Lauf. Auch hier konnte Feurstein den Mann vor der Besachwalterung bewahren.

In Bezau wäre eine ehemals wichtige Persönlichkeit der Kommune beinahe mit einem Sachwalter beglückt worden. Dessen Schwägerin hatte Anzeige erstattet. „Der Mann gehe mit seinem Vermögen wenig sorgsam um, lautete der Vorwurf“, erzählt Gottfried Feurstein. Schnell war der Fall beim Bezirksgericht Bezau. „Dort musste er beim zuständigen Richter den sogenannten Uhrentest machen. Er musste die römischen Ziffern einer Kirchenuhr korrekt einsetzen. Weil er das nicht konnte, schickte man ihn zum Psychiater“, schüttelt Feurstein noch heute den Kopf. 

Feurstein begleitete den Mann zum Facharzt. „Der war sehr korrekt und stellte die geistige Gesundheit des Mannes fest. Eine Besachwalterung blieb aus.“

Gierige Verwandte

Dass das Sachwalterrecht nun bald geändert wird, begrüßt Gottfried Feuerstein. Es soll den Willen der von Besachwalterung bedrohten Person stärker berücksichtigen. „Diese Beispiele zeigen, wie schnell Menschen von Gerichten entmündigt werden. Die fällen ihre Entscheidung viel zu schnell.“ Eigenartig ist, dass jene Personen, die andere zur Entmündigung vorschlagen, anonym bleiben können. „Die müssen auch bei Gericht nicht erscheinen“, weiß der VN-Ombudsmann.

Immer wieder seien es Personen aus dem erweiterten Verwandtenkreis, die Hinweise zur Besachwalterung eines älteren Menschen liefern. „Da reicht es schon, wenn die ältere Person zum Beispiel sehr großzügig mit ihrem Vermögen umgeht.“ Oft würden die Sachwalter mit ihren Klienten nicht gut umgehen, glaubt Feurstein.

Nie allein zum Gericht

Warum aber sind Gerichte mit Besachwalterungen so schnell bei der Hand? „Sie sind ängstlich und wollen auf Nummer sicher gehen. Die Bestellung eines Sachwalters ist diesbezüglich eine sichere Lösung, die dazu dient, Verantwortung abzugeben.“ Feursteins Tipp an Personen, die von einer Besachwalterung bedroht sind: „Gehen Sie niemals allein zum Gericht, wenn Sie dort vorgeladen werden. Nehmen Sie eine Person Ihres Vertrauens mit.“