Rüsten für ein neues Leben

Vorarlberg / 29.09.2016 • 20:01 Uhr
Nada ist mit den Bewohnern ständig in Kontakt. Hier spielt sie mit Maria ein Brettspiel. Foto: VN/Steurer
Nada ist mit den Bewohnern ständig in Kontakt. Hier spielt sie mit Maria ein Brettspiel. Foto: VN/Steurer

Das freiwillige Integrationsjahr hilft Flüchtlingen, Teil der Gesellschaft zu werden.

Schwarzach. Maria sitzt am Tisch, auf dem ein Spielbrett liegt. Mensch ärgere dich nicht. Sie würfelt. „Und jetzt spielen“, sagt Nada, die neben ihr sitzt. „Du meinst fahren“, wird sie von einer Kollegin korrigiert. Nada lächelt, dreht sich wieder zu Maria und sagt: „Und jetzt musst du fahren.“ Nada Abdul Asim trägt eine weiße Uniform, wie sie Pflegerinnen in Heimen eben so tragen. Dazu ein weißes Kopftuch. Nada Abdul Asim stammt aus der syrischen Hauptstadt Damaskus, ihr Mann kommt aus Homs, sie haben fünf Kinder. Seit 1. September arbeitet sie im Seniorenheim Hasenfeld in Lustenau. Sie ist eine von fünf Flüchtlingen, die seit Monatsanfang in Vorarlberg als erste das freiwillige Integrationsjahr absolvieren.

Österreichweit haben laut Caritas 33 Menschen diese Möglichkeit bereits genutzt, allein in Vorarlberg warten zehn weitere auf ihren Einsatz. Das Programm wendet sich an Asylberechtigte oder Menschen mit subsidiärem Schutzstatus, die über 17 Jahre alt sind und Mindestsicherung, aber kein Arbeitslosengeld beziehen. Erste Deutschkenntnisse sind ebenfalls vonnöten.

Auch Sohaib Hag Ahmad hat dieses Angebot angenommen. Der Syrer kam im Oktober 2014 nach Vorarlberg, ist verheiratet und seit fast zwei Wochen Vater. Der 31-Jährige arbeitet in der Beratungsstelle Existenz und Wohnen der Caritas in Feldkirch. Er hat in Syrien Psychologie studiert, sein Studium wird in Österreich allerdings nicht anerkannt. „Ich wollte einen ähnlichen Beruf. An der FH darf ich nun eine Masterarbeit ablegen, durch das Integrationsjahr lerne ich inzwischen die Menschen und den sozialen Bereich kennen“, schildert er. Zudem habe er so die Gelegenheit, Deutsch zu üben.

Viele Kurse

Nicht nur der Kontakt mit den Menschen hilft, die Sprache zu lernen. Jeden Donnerstag ist Schulungstag. Da absolvieren die Freiwilligen Deutschkurse, lernen das Sozialsystem kennen, machen Exkursionen in verschiedene Einrichtungen. Auch Erste-Hilfe-Kurse und Bewerbungstrainings stehen auf dem Programm. Am schnellsten funktioniert das Lernen allerdings in der täglichen Arbeit. Auch bei Nada Abdul Asim ist das so. „Am Anfang war sie noch schüchtern, wenn es darum ging, die deutsche Sprache zu verwenden. Mittlerweile redet sie nur noch deutsch“, erzählt eine Arbeitskollegin. Nada tut sich mit Sprachen leicht, sie hat englische Literatur studiert.

Die Sprachförderung ist nur eines der Ziele des Integrationsjahres. Flüchtlinge sollen dadurch auch am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, die Arbeitswelt kennenlernen, soziales Engagement zeigen und schließlich auf den Arbeitsmarkt gelangen. Dies ist nach sechs Monaten möglich.

Auch Ahmad Shamoun will arbeiten. Der 29-Jährige aus Syrien ist seit eineinhalb Jahren im Land und absolviert sein Integrationsjahr im Lustenauer Haus für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Für ihn ist es ein Schritt zur Ausbildung: „Ich möchte in Dornbirn soziale Arbeit studieren. Durch das Integrationsjahr kann ich Erfahrung sammeln und meine Sprache verbessern.“ Eigentlich würde er gerne zurück nach Syrien, sobald Frieden herrscht. „Aber ich komme aus Aleppo. Dort wird es für mich keine Zukunft geben“, befürchtet Ahmad Shamoun. Sein Ziel: „Ich möchte ein Mitglied der Gesellschaft sein. Nicht mehr der ‚Flüchtling‘, sondern wie jeder andere sein.“

Das Integrationsjahr wird über das freiwillige soziale Jahr abgewickelt. Es dauert zwischen sechs und zwölf Monate, die Teilnehmer dürfen bis zu 34 Wochenstunden arbeiten und absolvieren mindestens 150 Stunden pädagogisches Programm. Während dieser Zeit erhalten sie weiterhin Sozialhilfe, Einsatzgebiete sind Sozialbereiche von Gemeinden und Einrichtungen. Nada Abdul Asim hat sich nach einem Informationsabend selbst gemeldet. Das Seniorenheim Hasenfeld verfügt über drei freie Plätze für das freiwillige soziale Jahr, die nicht immer alle besetzt sind. Die Syrerin nimmt niemandem den Platz weg.

Die Einrichtungen zahlen einen Kursbeitrag von 200 Euro pro Monat, werden aber pro Teilnehmer mit 120 Euro vom Bund gefördert. Nada ist begeistert: „Es gefällt mir, ich will auch in Zukunft in diesem Bereich arbeiten. Deutsch klappt auch schon recht gut. Als Nächstes will ich Dialekt lernen, das wird schwierig.“ Mittlerweile sitzt sie neben Helmut am Tisch und hält ihm eine Tasse Kakao an den Mund. „Und jetzt Mund auf, bitte“, sagt sie, wieder voll in ihre Arbeit vertieft.

Ich möchte Teil der Gesellschaft sein, wie jeder andere.

Ahmad Shamoun
Nada ist mit den Bewohnern ständig in Kontakt. Hier spielt sie mit Maria ein Brettspiel.

Nada ist mit den Bewohnern ständig in Kontakt. Hier spielt sie mit Maria ein Brettspiel.

Nada ist mit den Bewohnern ständig in Kontakt. Hier spielt sie mit Maria ein Brettspiel.

Nada ist mit den Bewohnern ständig in Kontakt. Hier spielt sie mit Maria ein Brettspiel.

Nada ist mit den Bewohnern ständig in Kontakt. Hier spielt sie mit Maria ein Brettspiel.

Nada ist mit den Bewohnern ständig in Kontakt. Hier spielt sie mit Maria ein Brettspiel.

Nada ist mit den Bewohnern ständig in Kontakt. Hier spielt sie mit Maria ein Brettspiel.

Nada ist mit den Bewohnern ständig in Kontakt. Hier spielt sie mit Maria ein Brettspiel.

Nada ist mit den Bewohnern ständig in Kontakt. Hier hilft sie Helmut beim Trinken.

Nada ist mit den Bewohnern ständig in Kontakt. Hier hilft sie Helmut beim Trinken.

Nada ist mit den Bewohnern ständig in Kontakt. Hier hilft sie Helmut beim Essen.

Nada ist mit den Bewohnern ständig in Kontakt. Hier hilft sie Helmut beim Essen.

Sohaib Hag Ahmad wird eine Masterarbeit in der FH ablegen. Das österreichische Sozialsystem lernt er über das freiwillige Integrationsjahr kennen.

Sohaib Hag Ahmad wird eine Masterarbeit in der FH ablegen. Das österreichische Sozialsystem lernt er über das freiwillige Integrationsjahr kennen.