“Am Ende war es einfach sehr viel”
Ritsch gibt SPÖ-Vorsitz ab und zieht sich aus dem Hypo-U-Ausschuss komplett zurück.
Reuthe. Michael Ritsch war über neun Jahre SPÖ-Chef in Vorarlberg. Nach einer Bandscheibenoperation ging er auf Reha nach Bad Reuthe. Dort fällte er eine Entscheidung: Ritsch gibt seinen Parteivorsitz ab, Gabriele Sprickler-Falschlunger übernimmt. Aus dem Hypo-U-Ausschuss zieht er sich zurück. Ein Gespräch über Kritiker, Schmerzen und Ausschussvorsitz-Führung auf Morphium.
Wann haben Sie sich entschieden?
Ritsch: Am Donnerstag war es endgültig. Es war mir wichtig, dass der Übergang reibungslos verläuft. Gabi Sprickler-Falschlunger sitzt schon im Landtag und muss sich nicht einarbeiten. Im U-Ausschuss sitzt mit Reinhold Einwallner jemand, der die Materie kennt und ein Gremium wie dieses leiten kann.
Wann wurde der Rückzugsgedanke konkret?
Ritsch: In meiner ersten Reha-Woche, als ich spürte, dass ich den ganzen Tag Schmerzen habe. Ich wusste, dass es Anfang Oktober im Landtag wieder voll losgehen wird. So schnell werde ich aber nicht fit.
Sie haben nach der Operation sogar noch einen U-Ausschuss geleitet.
Ritsch: Ja. Danach bin ich im Büro gesessen und habe mich gefragt, ob ich eigentlich wahnsinnig bin. Wenn du unter Morphium-Einfluss eine Sitzung leitest, ist da immer ein bisschen ein Nebel. Das geht nicht. Als dann die Ansage von Gabi kam, dass sie im Notfall übernehmen könnte, war die Entscheidung rasch da.
Weshalb?
Ritsch: Es ist eine super Lösung. Jeder in der Partei kennt Gabi, ihr Stil ist ganz anders. Das tut der Partei in dieser Phase sicher gut. Sie ist auf Landesebene voll einsatzfähig. Und das werden wir brauchen, weil in den nächsten zwölf Monaten auf Bundesebene sicher Bewegung reinkommt.
Sie sprechen von Neuwahlen?
Ritsch: Ich gehe nicht davon aus, dass die Regierung bis 2018 hält. Ich glaube, dass innerhalb der nächsten zwölf Monate eine Entscheidung fallen wird. Gabi steht zu 100 Prozent hinter Christian Kern. Das war mir wichtig.
Ist der Wechsel langfristig?
Ritsch: Gabi wird beim Landesparteitag antreten. Bis jetzt hätte ich keinen Gegenkandidaten gehabt. Alle, die ins Spiel gebracht worden sind, haben sich entweder selber wieder rausgenommen oder ihnen fehlte der Rückhalt in der Partei. Ich bin überzeugt, ich hätte wieder eine Mehrheit erhalten. Wahrscheinlich nicht 99 Prozent, aber es wäre in Ordnung gewesen. Und Gabi wird auch ein gutes Ergebnis bekommen.
Also Gabriele Sprickler-Falschlunger kandidiert fix?
Ritsch: Es ist so vereinbart. Aber was ist schon fix in der Politik (lacht).
Sie werden aber nicht mehr antreten?
Ritsch: Nein, fix nicht. Ich gehe in die Stellvertreterfunktion, als Klubobmann sollte man schon Stellvertreter sein.
Das heißt, Sie bleiben die ganze Periode Klubobmann?
Ritsch: Ja, so haben wir das vereinbart. Wir haben schon öfters diskutiert, ob wir die Posten trennen sollen. Das haben die anderen Fraktionen ja auch.
Waren die Mehrfachfunktionen am Ende zu viel?
Ritsch: In der Öffentlichkeit sieht man vieles nicht. Als Parteichef fährst du zu Jahreshauptversammlungen, zu Ortsgruppen, zu Beerdigungen, zu Veranstaltungen, du musst schauen, dass die Parteifinanzen in Ordnung sind, Mitarbeiter führen, Kampagnen vorbereiten, und so weiter. Es ist ein brutaler Aufwand, daneben war ich Klubobmann und Bregenzer Stadtrat.
Und dann kam der Hypo-U-Ausschuss. Zu viel am Ende?
Ritsch: Es war viel, das muss ich zugeben. Ich hatte Tage, an denen ich um halb acht angefangen habe und bis nachts um elf im Büro war. Und das mehrere Tage am Stück. Solange du fit bist und dir das Ganze Spaß macht, ist das kein Problem. Aber wenn du angeschlagen bist, wird es schwierig.
Bleiben Sie Ersatzmitglied im Ausschuss?
Ritsch: Nein, das wird Gabi.
Sie haben den Ausschuss ins Leben gerufen und ziehen sich jetzt völlig zurück?
Ritsch: Ins Leben gerufen hat ihn die Partei. Der Hypo-U-Ausschuss ist ja kein Steckenpferd des Michael Ritsch, sondern eine gemeinsame Entscheidung der Partei.
Ist das der Anfang vom Rückzug aus der Politik?
Ritsch: Nein, ganz sicher nicht. Natürlich habe ich schon an weitere Schritte gedacht. Aber Politik macht mir immer noch Spaß. Ich bleibe auch in der Bregenzer Stadtpolitik. Außerdem haben mir sogar viele Kritiker beschieden, es habe selten einen besseren Mandatar gegeben. Lob von Kritikern ist ja auch etwas Schönes.
Hat die jüngste Personaldiskussion zu Ihrem Entschluss beigetragen?
Ritsch: Das kann man vielleicht unterstellen. Ich habe ja angekündigt, dass ich auf dem Parteitag kandidieren werde, egal ob ich einen Gegenkandidaten habe oder nicht. Und ich habe gewusst, dass ich eine Mehrheit habe. Wenn du so lange Parteivorsitzender bist, dann kann es eben sein, dass vielleicht ein, zwei Dutzend Funktionäre kritisch sind. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen, ist aber kein Grund.
Treten Sie noch von weiteren Funktionen zurück?
Ritsch: Ich gebe den stellvertretenden Bundesparteivorsitz ab, den übernimmt auch Gabi. Das ist mit Christian Kern abgesprochen.
Wie hat der Kanzler auf Ihren Rückzug reagiert?
Ritsch: Er hat mich eigentlich darum gebeten, noch einmal darüber nachzudenken, weil ich halt einer war, der an seiner Einsetzung intensiv beteiligt war.
Wann kehren Sie wieder in die Landespolitik zurück?
Ritsch: Erst, wenn ich schmerzfrei bin. Bei der nächsten Landtagssitzung fehle ich sicher noch, vielleicht schaffe ich es bis November.