Der Schmerz ist unvorstellbar
Ein Jahr nach dem brutalen Mord an Stefanie Nesensohn spricht die Familie über ihr Leid.
Frastanz. Was gibt es Schlimmeres für eine Mutter, als ihr Kind zu verlieren? Eine Begegnung mit Daniela Nesensohn (51) liefert darauf die Antwort: nichts. Am 4. November des Vorjahrs starb ihre Tochter Stefanie im 29. Lebensjahr durch Mörderhand. Mit ihr starb die ungeborene Naima. Stefanie war mit dem Mädchen im achten Monat schwanger. Die Frastanzerin wurde erwürgt. Danach versuchte der Mörder, sie zu verbrennen. Der Tat dringend verdächtig ist ein 27-jähriger Mann aus der Dominikanischen Republik. Er wäre der Vater des Kindes gewesen.
Mehr als ein Leben zerstört
„Dieses Ereignis hat unser bisheriges Leben zerstört“, schluchzt Daniela Nesensohn. „Wir waren alle so glücklich. Wir freuten uns auf das Kind. Stefanie hat sich unmittelbar vor dem Mord noch einen Kreißsaal angeschaut. Ich hätte mitgehen sollen. Jetzt bin ich froh, dass ich das nicht tat.“ Der Frastanzerin schießen die Tränen aus den Augen, während Mutter Irene (75) sie zu trösten versucht. Auf dem Wohnzimmertisch steht eine auffällige Kerze. Auf dieser ist ein Foto. Es zeigt Stefanie mit Babybauch. Daneben die Worte: „Bis wir uns im Himmel wiedersehen. Stefanie & Naima“.
Unvorstellbar ist auch bald ein Jahr danach noch der Schmerz. Vor allem bei Mama Daniela. Monatelang konnte sie nicht arbeiten. Jetzt geht sie wieder. „Ich bin Pflegerin in Liechtenstein. Meine Kollegen unterstützen mich. Trotzdem wundere ich mich, wie ich es schaffe.“ Daniela habe sehr viel abgenommen, bemerkt die Oma. Sie besucht ihre Tochter jeden Tag.
Katharina (25), Danielas zweite Tochter, wohnt Gott sei Dank ebenfalls im schönen Haus ihrer Eltern, das diese so liebevoll eingerichtet haben. Vorher waren sie im Dorf unten. Dort, wo Stefanie lebte und auf so grauenvolle Art und Weise starb.
Sie reden über Stefanie. „Sie war resolut, offen, direkt, genauso auch herzlich und hilfsbereit. War ich mal nicht zu Hause, wenn sie vorbeikam, dann räumte sie auf. Das hat sie gerne gemacht“, sagt die Mutter. „Sie wusste, was sie wollte. Sie konnte auch sehr bestimmt sein“, schmunzelt die Großmutter. Schwester Katharina hatte sich ebenfalls riesig aufs Baby gefreut. „Meine Tochter Dilara hätte eine Schwester bekommen.“ Dilara hatte noch am Wochenende vor der Bluttat bei Stefanie geschlafen. „Was hätte er wohl dem Kind getan, wenn er dann gekommen wäre“, wird der Großmutter jetzt noch bang.
Abtreibung gefordert
Er. Der mutmaßliche Mörder. Es war eine kurze Affäre, mehr nicht. „Als Stefanie ihm erzählte, sie sei von ihm schwanger, hat er sie mit aller Macht darauf gedrängt, das Kind abzutreiben. Wenn sie es nicht tue, würde sie sein Leben zerstören. So hat er mit Stefanie geredet. Aber die wollte nicht abtreiben. Sie wollte das Kind und hat sich so darauf gefreut“, erzählt die Mutter. Wie sie über jenen Mann denken, der mit ziemlicher Sicherheit das Leben ihrer Tochter ausgelöscht hat? „Ich will ihn weg sehen“, sagt Daniela. „Er ist schlimmer als ein Tier. Denn ein Tier tut so etwas nicht“, sagt die Großmutter.
Alle wissen sie: Die Sache ist noch lange nicht ausgestanden. Der Prozess wird die Familie auf eine weitere harte Bewährungsprobe stellen. „Erst wenn der vorbei ist, könnten wir damit beginnen, ein halbwegs normales Leben zu versuchen“, wagt Daniela Nesensohn den Blick in eine Zukunft, in welcher der Schmerz vielleicht einmal nachlässt.