“Lehrersituation sehe ich nicht so dramatisch”

PH-Rektor wirbt für Attraktivität des Lehrerberufs: „Er wird riesige Bedeutung erlangen.“
Feldkirch. Gernot Brauchle rechtfertigt die wissenschaftlichen Standards des Studiums und sieht die Lehrerbildung neu bereits gut aufgestellt.
Teilen Sie die Sorgen vieler Schulverantwortlicher, wonach uns ein dramatischer Lehrermangel blüht?
Brauchle: Wir müssen keine Angst haben. Wir müssen jungen Leuten den Beruf des Lehrers schmackhaft machen. Es ist ein Zukunftsberuf. Ich glaube, dass hier übertrieben wird und die Situation in den Medien dramatischer dargestellt wurde, als sie tatsächlich ist. Es gibt viele Unwägbarkeiten, die eine genaue Prognose praktisch unmöglich machen. Wir wissen nicht, wie viele Lehrer aus der Pension zum Unterrichten zurückkehren, wie viele Frühpensionierungen es geben wird, wie sich Quereinsteiger-Studien auf den Markt auswirken werden. Natürlich muss man die Sorgen trotzdem ernst nehmen.
Es würde zu wenige Absolventen für die Sekundarstufe geben, ist eine der Begründungen für die Ängste. Wie viele junge Menschen haben denn im heurigen Studienjahr ein Lehramtsstudium an der PH Vorarlberg begonnen?
Brauchle: In der Primarstufe waren es 76, in der Sekundarstufe 61, davon 44 für die Allgemeinbildung und 17 für die Berufsbildung.
Ist das nicht zu wenig? Vor allem im Sekundarbereich?
Brauchle: Man kann nicht allein unsere Zahlen als Gradmesser für die Versorgung des Lehrermarkts sehen, sondern muss die Studenten- und Absolventenzahlen im gesamten Entwicklungsverbund mit all seinen Einrichtungen mitberücksichtigen. Zumal wir ja durch das Lehramtsstudium neu am Standort Feldkirch im Sekundarbereich weniger Fächer anbieten. Das wirkt sich auf die Studentenzahlen natürlich genauso aus wie der Aufnahmetest fürs Studium, den nicht alle bestanden haben. Früher hat man alle zum Lehramtsstudium zugelassen, jetzt nicht mehr. Dafür rechne ich künftig mit geringeren Drop-out-Zahlen.
Aber die derzeitige Entwicklung mit belegbaren Zahlen ist doch alarmierend?
Brauchle: Ein Jahrgang mit geringen Absolventenzahlen allein wird uns noch keine Probleme bereiten. Die haben wir, wenn eine solche Entwicklung fünf Jahre andauert.
Sie möchten für die Attraktivität des Lehrberufs werben. Wie?
Brauchle: Indem wir die jungen Leute direkt ansprechen. Indem wir systematisch in Schulklassen gehen, auf Bildungsmessen vertreten sind, Tage der offenen Tür im Haus abhalten. Es muss uns gelingen, den jungen Menschen zu verdeutlichen, welche ungeheure Bedeutung der Lehrerberuf in der Zukunft erlangen wird. Bildung ist ja ständig Thema in den Medien. Es geht mehr denn je um eine gute Ausbildung. All diese Dinge müssen wir ins Bewusstsein junger Menschen bringen, auch die Tatsache, dass der Lehrerberuf einer der wenigen Berufe ist, der lebenslange Sicherheit bietet.
Es gibt nicht wenige Pflichtschullehrer, die beklagen, dass die Lehrerausbildung zu sehr verwissenschaftlicht wird. Dass man Dinge studiert, die man in der Praxis nicht braucht.
Brauchle: Der Schwerpunkt an der Pädagogischen Hochschule ist die forschungsgeleitete Lehre, nicht Grundlagenforschung wie an den Universitäten. Das ist unser gesetzlicher Auftrag. Praxisnähe steht dabei im Mittelpunkt. Jenen, die über Verwissenschaftlichung schimpfen, unterstelle ich mal, dass sie nicht den Unterschied zwischen Grundlagenforschung und forschungsgeleiteter Lehre kennen. Ich möchte aber auch eines unterstreichen: Die Persönlichkeit eines Lehrers bleibt einer der wichtigsten Faktoren für gutes Unterrichten. Und Persönlichkeit kann man nicht ausbilden.
Ihre Einrichtung steckt mitten in einem völligen Umbruch. Funktionieren die entscheidenden Weichenstellungen bereits?
Brauchle: Das Studium neu funktioniert gut, auch das gemeinsame Studium im Verbund. Wobei wir für uns an der PH Vorarlberg eine neue Struktur ausarbeiten. Wir wollen zwei Institute mit Alleinstellungsmerkmalen im Verbund schaffen.
Die Persönlichkeit eines Lehrers bleibt einer der wichtigsten Faktoren fürs Unterrichten.
Gernot Brauchle