Kinderschutz auf neuen Beinen

Vorarlberg / 02.03.2017 • 20:01 Uhr
Kinderschutz auf neuen Beinen

Land stellt Organisation im Kinder- und Jugendschutz um, Fokus auf Öffentlichkeit.

Bregenz. Milchpackungen als Werbefläche? Schweden hat das gemacht, und Anneli Kremmel-Bohle hält das für eine gute Idee. Schweden hat das Gewaltverbot an Kindern auf Milchpackungen gedruckt, um es bekannt zu machen. „Wir müssen uns kreative Wege überlegen“, sagt Kremmel-Bohle. Sie ist Kinderschutzbeauftragte des Vorarlberger Kinderdorfs und als solche im neuen Vorarlberger Fachbeirat für Kinderschutz, den sie am Donnerstag zusammen mit der zuständigen Landesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne), mit Ruth Rüdisser vom Institut für Sozialdienste (IfS) und Kinder- und Jugendanwalt Michael Rauch vorstellte. Die Milchpackungsidee kommt nicht von ungefähr: Zwar ist das Verbot von Gewalt in der Erziehung seit 1989 im Gesetz verankert, Michael Rauch moniert: „Nur 58 Prozent aller Eltern kennen dieses Verbot.“ Die neue Struktur des Kinder- und Jugendschutzes rückt deshalb die Öffentlichkeitsarbeit in den Fokus. „Da gibt es Nachholbedarf“, ist sich Kremmel-Bohle sicher.

Das neue Organisationsmodell arbeitet auf drei Ebenen, mit einem achtköpfigen Fachbeirat im Zentrum, wie Wiesflecker ausführt: „Vor eineinhalb Jahren haben wir das Kinderschutzzentrum aufgelöst, es hat nicht so zum Erfolg geführt. Nun haben wir eine Organisationsform gefunden, die eigentlich nicht neu ist.“ Im Grunde würde die aktuelle Arbeitsweise in eine Struktur gegossen. Drei von vier Kernaufgaben bleiben den Organisationen überlassen: Beteiligung und Kooperation, Forschung und Qualitätsentwicklung, Aus- und Fortbildung. „Der Fachbeirat hat hier eine koordinierende und moderierende Funktion“, führt Wiesflecker aus. Für die Öffentlichkeitsarbeit ist zukünftig die Kinder- und Jugendhilfe zuständig, und damit direkt Wiesfleckers Ressort. Als zweite Ebene ist ein innerer Kreis geplant, der alle Kinderschutzakteure des Landes beinhaltet. 28 Personen wurden zum ersten Treffen eingeladen. Die dritte Ebene nennt sich äußerer Kreis, bei dem die Systempartner, wie Polizei, Kindergärten, Schulen und Organisationen, mitreden.

2000 Verdachtsfälle

Rund 1400 Minderjährige wurden im vergangenen Jahr nach Gewaltfällen ambulant betreut. Rund 500 Kinder und Jugendliche kamen in diversen Einrichtungen und Wohnungen unter. In 2000 Fällen ging die Bezirkshauptmannschaft einem gemeldeten Verdacht nach. Die Anzahl jener Institutionen, die einen Verdacht äußerten, zeigt für Wiesflecker, wie wichtig Vernetzung ist: 24,3 Prozent der Meldungen stammen von der Polizei, 21,1 Prozent von einer Erziehungsberechtigten, 12,6 Prozent aus der Schule oder dem Kindergarten, 6,8 Prozent von einer anderen sozialen Einrichtung und 3,5 Prozent aus Krankenhäusern. Mehr als jede vierte Meldung betraf häusliche Gewalt, Misshandlung oder Vernachlässigung. Wie es Ruth Rüdisser ausdrückt: „Kinderschutz kann man nicht alleine machen. Es braucht alle: Polizei, Kindergärten, Schulen, Eltern, Organisationen, mich und auch Sie.“