„Fingerzeig des WWF erfolgte zu Recht“

Die Vorarlberger Naturschutzanwältin steht der neuen Regierung skeptisch gegenüber.
Schwarzach Katharina Lins beklagt die zunehmende Zerstückelung von zusammenhängenden Naturgebieten. Für die Umsetzung von Anliegen des Naturschutzes sieht sie durch die kürzlich getroffene EuGH-Entscheidung jedoch bessere Chancen.
Der World Wildflife Fund Österreich warnt vor drohenden Eingriffen in die letzten unberührten alpinen Naturparadiese. Zu Recht?
Lins Absolut. Wenn man die Vorarlberg-Karte mit den noch verbliebenen weitestgehend naturbelassenen Flächen anschaut, sieht man, dass diese ziemlich zerstückelt sind. Dabei bräuchten wir vor allem zusammenhängende Gebiete dieser Art, um für die dort lebenden Tiere die notwendige Ruhe zu gewährleisen. Ich denke da auch an Wolf und Luchs, die gerade solche größeren Lebensräume bräuchten.
Das heißt, solche Räume werden immer mehr zerstückelt?
Lins Ja, leider. Ein Beispiel dafür ist der Bau eines Güterwegs zu einer Alpe in St. Gallenkirch. Dort wird einmal mehr ein größeres zusammenhängendes Gebiet auseinandergerissen. So gesehen erfolgt der Fingerzeig des WWF absolut zu Recht.
Man hat den Eindruck, dass gerade in den letzten Jahren die Vorarlberger Tourismuswirtschaft mit Lift- und Infrastrukturprojekten an mehreren Orten recht aktiv war. Zu aktiv?
Lins Natürlich. Bei einigen Projekten gab es umfangreiche Eingriffe in die Natur. Aktuell fällt mir der Speichersee in Warth ein, der einige Tausend Quadratmeter Fläche beanspruchte. Es wird auch immer wieder Boden für Pistenadaptierungen verbraucht. Einen Tabubruch löste vor einigen Jahren die genehmigte Verbindung der Skigebiete Mellau-Damüls aus. Was hatten wir danach? Weitere Verbindungen folgten: Jene der Skigebiete Hochjoch-Nova und dann Warth-Lech sowie Zürs-Alpe Rauz.
Der WWF Österreich kritisierte in seiner Studie den geplanten Bau des Wasserkraftwerks Meng im Gamperdonatal, bezeichnet das als ökologisch bedenklich. Ist diese Kritik gerechtfertigt?
Lins Das Projekt wäre gewiss nicht gut für die intakte Naturlandschaft dort. Nur weiß ich, dass dieses Vorhaben nach einem Feststellungsverfahren derzeit unter anderem aus Kostengründen nicht aktuell ist. Aber ich weiß vielleicht nicht alles. Man sagt mir auch nicht alles.
Lässt das darauf schließen, dass die Naturschutzanwältin oft übergangen wird?
Lins Sehr viel Mitspracherecht habe ich nie gehabt. Das ist so. Vielleicht wird das aber bald etwas besser, nachdem der Europäische Gerichtshof entschieden hat, dass bei Projekten mit Auswirkungen auf die Natur einschlägige Organisationen mehr Mitspracherecht bekommen sollen. Mal sehen, wie das wird.
Kommen wir zurück zur Wasserkraft. Mehr davon wird Vorarlberg wohl brauchen, will man irgendwann die Energieautonomie erreichen?
Lins Der entsprechende Landtagsbeschluss ist jedoch einer mit Einschränkungen. Es ist festgelegt, dass man sich nur bestimmte Projekte anschauen will, ökologisch hochwertige Flüsse sollen in Ruhe gelassen werden.
Gibt es derzeit in Vorarlberg spezielle Bauprojekte, gegen die Sie sich wehren wollen?
Lins Es sind im Wesentlichen die schon bekannten Vorhaben, die wir kritisch begleiten werden: die S 18, der angestrebte Ausbau beim Rohrspitz, verschiedene Skiprojekte. Ich denke da aktuell an den geplanten Speichersee im Montafon, für den man acht Hektar Naturgrund opfern möchte.
Die neue Regierung ist im Amt. Welchen Stellenwert wird bei ihr der Naturschutz erhalten?
Lins Ich habe bisher nicht wahrgenommen, dass der Umwelt-und Naturschutz für die neue Regierung eine besondere Rolle spielt. Das Thema ist bisher ja kaum vorgekommen, wenn, dann aber nur im Zusammenhang mit dem Begriff Entbürokratisierung. Wenn ich diesen Begriff in Verbindung mit Naturschutz höre, bedeutet das für unsere Sache nie etwas wirklich Gutes.
Welchen Eindruck haben Sie von der neuen Umweltministerin Elisabeth Köstinger?
Lins Ich kenne sie noch nicht, bin ihr erst einmal begegnet, als sie noch Europaparlamentarierin war.
Welche Wünsche haben Sie an die neuen politisch Verantwortlichen für den Umweltschutz?
Lins Erstens eine konsequente Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen. Zweitens den Schutz der Natura-2000-Gebiete. Drittens den unbedingten Erhalt des UVP-Rechts: Stichwort Entbürokratisierung.
