Rechtsbereinigung
War das eine Aufregung! Justiz- und Verwaltungsreformminister Josef Moser hatte das Vorhaben der Regierung angekündigt, vor dem 1. Jänner 2000 erlassene, nicht mehr notwendige Gesetze aufzuheben. Der sonst so wortgewaltige Minister artikulierte im Interview den Plan allerdings nur unscharf und missverständlich. Mit dem Instrument der sogenannten Rechtsbereinigung wenig vertraute Menschen konnten den Eindruck gewinnen, als sollten einfach alle vor 2000 erlassenen Gesetze ersatzlos außer Kraft treten.
Würde das das Ende des ehrwürdigen, 1811 erlassenen Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs bedeuten? Sollte es keine Zivilprozessordnung (1913) mehr geben? Kein Wasserrechtsgesetz (1959) und kein Forstgesetz (1975)? Würde, was manche Oppositionspolitiker äußerten, das Konsumentenschutzgesetz und das Mietrechtsgesetz versenkt? Die Hysterie über die etwas verunglückte Kommunikation eines eigentlich sinnvollen Projekts kannte, verschiedentlich auch unter Rechtsgelehrten, kaum Grenzen.
In Wahrheit verfolgt die Regierung mit der Rechtsbereinigung ein Projekt, das ein bewährtes und unspektakuläres Instrument der Verwaltungsreform ist: Man nehme einen Stichtag, der einige Jahrzehnte in der Vergangenheit liegt und hebe alle vor diesem Tag erlassenen, teilweise uralten Rechtsvorschriften auf, mit Ausnahme einer Reihe ausdrücklich aufgezählter Gesetze. Den Nutzen haben die Rechtsanwender in Behörden, Gerichten und Kanzleien, die nun wissen, was von dem alten Rechtsstoff noch gilt und was nicht.
Die Länder haben in Österreich mit der Rechtsbereinigung längst begonnen, besonderes moderne Rechtsbereinigungsgesetze sind die von Tirol und Vorarlberg. So sind etwa in Vorarlberg gerade einmal 21 Gesetze, die vor 1980 erlassen wurden, überhaupt noch in Kraft.
Natürlich hat Rechtsbereinigung ihre Tücken: Man sollte kein Gesetz vergessen, das am Ende vielleicht noch gebraucht wird. Und ob man ein Gesetz überhaupt noch benötigt, ist nicht immer so klar zu beurteilen.
Bei der Rechtsbereinigung in Vorarlberg haben beispielsweise die Bedenkenträger aus dem Bundeskanzleramt bezweifelt, ob das Land ein Gesetz aufheben durfte, mit dem 1950 im Kleinwalsertal das Vorarlberger Landesrecht wieder eingeführt wurde. Würden bei Aufhebung dieses Gesetzes am Ende sogar Nazi-Gesetze wieder in Kraft treten? Der Landtag hat im konkreten Fall diese unsinnigen Befürchtungen ignoriert und das Kleinwalsertal gehört nach wie vor zu Vorarlberg.
Wer sich also schon vor der Rechtsbereinigung fürchtet, der sollte keine Verwaltungsreform einfordern, denn die Rechtsbereinigung ist bei weitem die harmloseste und leichteste Übung. Es ist immer wieder lustig, wie panisch zuweilen Menschen reagieren, die jahrelang über Reformstillstand gejammert haben, wenn einmal nur das leiseste Lüftchen der Veränderung weht.
„Würde das das Ende des ehrwürdigen, 1811 erlassenen Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs bedeuten?“
Peter Bussjäger
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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