Kammern kritisieren Bodenschutzgesetz

Vorarlberg / 15.01.2018 • 22:10 Uhr
In einem sind sich alle einig: Böden gehören geschützt. Stiplovsek
In einem sind sich alle einig: Böden gehören geschützt. Stiplovsek

Neues Regelwerk aus unterschiedlichen Gründen kritisiert.

Bregenz Plastikmüll auf den Feldern Vorarlbergs! Die Aufregung war groß, als die VN über Schnipsel berichteten, die auf Äckern ausgestreut wurden. Eine Lücke im Klärschlammgesetz macht das erst möglich. Die Politik hat reagiert: Aus dem Klärschlammgesetz wird das Gesetz zum Schutz der Bodenqualität. Die Begutachtungsfrist des neuen Regelwerks ist schon abgelaufen, nun ist der Landtag an der Reihe. Zahlreiche Details fehlen aber im Gesetzesentwurf. Diese möchte die Landesregierung mit einer dazu passenden Verordnung regeln. Vor allem deshalb schließt die Vorarlberger Wirtschaftskammer ihre Stellungnahme mit den Worten: „Aus den genannten Gründen sehen wir das vorgeschlagene Gesetz sehr kritisch und lehnen dieses in der vorliegenden Form ab.“ Auch die Landwirtschaftskammer sieht das neue Gesetz skeptisch.

Neue Mode

Die bisherige Lücke: Material, das verarbeitet wird, gilt nicht als Abfall, weshalb Plastikschnitzel im Dünger auf Wiesen im Land verstreut werden dürfen. Dies soll sich mit dem neuen Gesetz ändern. Doch nicht etwa, indem das alte Klärschlammgesetz repariert wird; die Landesregierung hat ein neues Gesetz entworfen. Am 1. Jänner 2019 soll es in Kraft treten, gleichzeitig wird das Klärschlammgesetz ungültig. Für die Wirtschaftskammer geht das zu weit. „In Zeiten des Bürokratieabbaus sollte man die Lücken einfach schließen, anstatt ein neues Gesetz zu schaffen“, meint der stellvertretende Direktor Marco Tittler. „Außerdem ist es Mode geworden, dass Gesetze etwas grob regeln und auf eine Verordnung verweisen.“ Auch beim Energieeffizienzgesetz sei dies der Fall gewesen.

Die Mindestsicherung im Land ist zum Beispiel ebenfalls per Gesetz geregelt, Details stehen jedoch in einer Verordnung. Was technisch klingt, hat handfeste Auswirkungen: Eine Verordnung muss den  Gesetzgebungsprozess nicht durchlaufen; also weder in eine öffentliche Begutachtung geschickt noch vom Landtag diskutiert werden. Marco Tittler ist überzeugt: „Das ist demokratiepolitisch nicht so einfach.“

Die Kritik der Wirtschaftskammer dreht sich um formale Aspekte, inhaltlich hat sie nichts auszusetzen. „Wir befürworten ausdrücklich den Schutz des Bodens“, sagt Tittler. Ein Satz, mit dem auch die Landwirtschaftskammer ihre Stellungnahme zum Gesetz beginnt. Anschließend folgt allerdings eine saftige inhaltliche Kritik. Kammerpräsident Josef Moosbrugger fürchtet um den Einfluss der Landwirte. „Durch das Gesetz könnte dem Landwirt die Bewirtschaftungsform vorgeschrieben werden.“

Umfangreiches Werk

Paragraf fünf regelt beispielsweise, welches Material auf einem Feld verstreut werden darf und was zu unterlassen ist. Ohne Details. „Was genau ist zu unterlassen? Soll alles mit der Verordnung geregelt werden?“, schreibt die Landwirtschaftskammer in ihrer Stellungnahme. Im VN-Gespräch konkretisiert Moosbrugger: „Ackerbau oder Viehzucht, Bio oder konventionell, wie intensiv wird geschnitten, diese Dinge sollten vom Landwirt in Konsens mit dem Standort bestimmt werden.“ In der Stellungnahme heißt es weiter: „Diese Verordnung erscheint als sehr umfangreiches Regelwerk, das in seinen Wirkungen nicht durch die gesetzgebende Körperschaft, den Landtag, eingeschätzt werden kann.“

Das neue Gesetz sieht zudem vor, dass ein Grundstücksbesitzer bei Verstößen den ursprünglichen Zustand wiederherstellen muss. Auch die Sanierungskosten können auf den Eigentümer abgewälzt werden. Die Landwirtschaftskammer befürchtet, dass ein Landwirt auch zahlen muss, wenn er nichts dafür kann. Also etwa für Müll am Straßenrand, für Reste von Feuerwerksraketen oder für Hundekot.

Was dem einen zu viel, ist dem anderen zu wenig. Naturschutzanwältin Katharina Lins vermisst zum Beispiel die Erwähnung der bevorzugten Bewirtschaftungsformen. „Außerdem sollte der Rekultivierung einen höheren Stellenwert eingeräumt werden. Da zählt die Qualität des Bodens.“

Fix ist: Nun wird das Gesetz noch etwas verfeinert, anschließend ist der Landtag zuständig. Gleichzeitig befindet sich schon eine Verordnung in Arbeit, sie soll ebenfalls ab 1. Jänner 2019 gelten. Die Zeit drängt aber nicht: Eine Begutachtungsphase ist schließlich nicht Pflicht.

Die Qualität der Rekultivierung sollte stärker gewichtet werden. Auch was bodenschonende Bewirtschaftung bedeutet und welche Bewirtschaftungsmethoden bevorzugt werden, sollte drin stehen. Katharina Lins, Naturschutzanwältin

Die Qualität der Rekultivierung sollte stärker gewichtet werden. Auch was bodenschonende Bewirtschaftung bedeutet und welche Bewirtschaftungsmethoden bevorzugt werden, sollte drin stehen. Katharina Lins, Naturschutzanwältin

Statt die Gesetzeslücke zu schließen, wird ein neues Gesetz erstellt, was zu mehr Komplexität und Bürokratie führt. Details in der Verordnung zu regeln, ist zudem demokratiepolitisch nicht ganz einfach. Marco Tittler, Stv. Direktor WKV

Statt die Gesetzeslücke zu schließen, wird ein neues Gesetz erstellt, was zu mehr Komplexität und Bürokratie führt. Details in der Verordnung zu regeln, ist zudem demokratiepolitisch nicht ganz einfach. Marco Tittler, Stv. Direktor WKV

Eine Reihe von Punkten sind nicht ausreichend definiert. Besser wäre, Dinge konkret zu formulieren oder zumindest schon die Verordnung auf den Tisch zu legen, damit man weiß, was man kriegt. Josef Moosbrugger, Präsident LWK

Eine Reihe von Punkten sind nicht ausreichend definiert. Besser wäre, Dinge konkret zu formulieren oder zumindest schon die Verordnung auf den Tisch zu legen, damit man weiß, was man kriegt. Josef Moosbrugger, Präsident LWK

Bodenschutzgesetz

Die Behörde darf Böden kontrollieren und eine Sanierung vorschreiben, bei Gefahr in Verzug auch ohne Verfahren. Materialien können verboten werden. Verstöße werden mit Verwaltungsstrafen geahndet.

Ziele Bodengesundheit sichern, Bodenfruchtbarkeit erhalten, beeinträchtigte Böden wiederherstellen, Vermeidung von Schadstoffbelastung, Verhinderung von Bodenerosion und -verdichtung, Verbesserung der Humuswirtschaft.