Klügere Verfahren
Die Naturschutzorganisationen Vorarlbergs beklagen, dass ihnen kein Rechtsmittel gegen die Bewilligung des aus ihrer Sicht überdimensionierten Speichersees in der Silvretta Nova zur Verfügung steht. Dies im Gegensatz etwa zu Tirol, wo der Umweltanwalt solche behördlichen Entscheidungen durch das Landesverwaltungsgericht überprüfen lassen kann.
In der Schweiz gibt es ein sogenanntes Verbandsbeschwerderecht. Dort können Umweltorganisationen bei den Verwaltungsgerichten in Naturschutzangelegenheiten Beschwerde führen, müssen diese Verfahren aber selbst finanzieren. Der Umstand, dass sie in vielen Fällen erfolgreich sind, weist darauf hin, dass dieses Recht zumindest in der Schweiz verantwortungsvoll wahrgenommen und nur in besonders schwerwiegenden Fällen der mit einem Kostenrisiko verbundene Gerichtsweg beschritten wird.
Es gibt aber auch einen internationalen Staatsvertrag, die von Österreich unterzeichnete sogenannte Aarhus-Konvention. In Art. 9 ist zu lesen, dass Mitglieder der Öffentlichkeit Zugang zu Verfahren haben müssen, „um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen.“
Demnach müssten Umweltorganisationen das Recht haben, eine Entscheidung wie den Speichersee anzufechten. Ganz so einfach ist es aber nicht, denn der Staatsvertrag ist in Österreich nicht unmittelbar anwendbar und müsste erst in Bundes- und Landesrecht umgesetzt werden, was bisher, obgleich Österreich schon vor 13 Jahren ratifiziert hat, nicht erfolgt ist.
Der österreichische Verwaltungsgerichtshof hat nun in einem aktuellen Urteil festgehalten, dass Art. 9 jedenfalls dann anzuwenden ist, wenn EU-Recht im Spiel ist. Im konkreten Fall hat er einer Umweltorganisation das Recht eingeräumt, vor dem Landesverwaltungsgericht Salzburg verschärfte verkehrsbeschränkende Maßnahmen gegen die Luftbelastung einzufordern, auch wenn das österreichische Gesetz das nicht vorsieht.
Im Fall des Speichersees wird vermutlich kein EU-Recht berührt. Das wäre anders, wenn es sich beispielsweise um ein Natura-2000-Gebiet handeln würde. Es kann also sein, dass der Speichersee gebaut werden darf, ohne dass Umweltorganisationen dagegen Beschwerde führen können.
Der Gestaltungsspielraum der Gesetzgeber auf Bundes- und Landesebene ist jedoch deutlich kleiner geworden. Es wäre zu prüfen, ein Verbandsbeschwerderecht wie in der Schweiz einzuführen, statt dauernd von Gerichtsurteilen getrieben zu sein. Das würde auch die Akzeptanz behördlicher Entscheidungen erhöhen.
„Im Falle des Speichersees wird vermutlich kein EU-Recht berührt.“
Peter Bussjäger
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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