Ein ganz normaler Mensch mit Sünden

Vorarlberg / 25.03.2018 • 18:53 Uhr
Peter Mathei ist seit mehr als zwei Jahrzehnten Pfarrer von Alberschwende. hrj
Peter Mathei ist seit mehr als zwei Jahrzehnten Pfarrer von Alberschwende. hrj

Peter Mathei stellt sich im „Tagebuch eines Landpfarrers“ seinen eigenen Schwächen.

alberschwende Bevor sich Peter Mathei der Kirche zuwandte, Theologie studierte und Priester wurde, ließ er sich in der Fremdenverkehrsakademie ausbilden, jobbte als Kellner und studierte Philosophie. Nach vier Jahren Kaplan und einem Jahr Pfarrer in Bregenz Mariahilf zog er nach Alberschwende. Dort ist er nun seit 22 Jahren Landpfarrer. In seinem Buch „Im Licht des Bewusstseins. Aus dem Tagebuch eines Landpfarrers“ geht der 72-Jährige ganz offen mit eigenen Unzulänglichkeiten um.

 

War der Wechsel vom Stadt- zum Landpfarrer eine große Umstellung?

MATHEI Nein. Ich habe lediglich eine intensivere Beziehung zu den Dorfbewohnern, als ich zu den Städtern hatte. Allerdings war die Pfarre Mariahilf dorfähnlich strukturiert, mit einfachen, bescheidenen Menschen, von denen viele kirchlich engagiert waren. Alberschwende ist mit ca. 3000 Katholiken nur wenig kleiner als die Pfarre Mariahilf.

Wie pflegen Sie Ihre Beziehung zu den Alberschwendern?

MATHEI Ich bin beispielsweise jeden Mittag bei einer anderen Familie zum Essen eingeladen. Dadurch haben sich im Laufe der Jahre vertrauensvolle Kontakte ergeben. Übrigens sind auch aus der Kirche Ausgetretene dabei. Vielleicht auch Evangelische. Wert lege ich auf die zwischenmenschliche Beziehung.

 

Wie kam es zur Veröffentlichung Ihres Tagebuchs eines Landpfarrers als Buch?

MATHEI Der Fromm Verlag lud uns Pfarrer ein, Texte zu schicken, die veröffentlicht werden können. Da kam mir die Idee, Inhalte aus meinem Tagebuch zu veröffentlichen, das ich seit 2000 führe. In mein von Hand geschriebenes Notizbuch formuliere ich äußere und innere Vorgänge zu Situationen.

 

In Ihrem Tagebuch üben Sie viel Selbstkritik. Dabei kommen häufig die Themen Eifersucht, Hochmut, aber auch Liebe vor.

MATHEI Damit wollte ich zeigen, dass ich ein ganz normaler Mensch mit Sünden und Fehlern bin. Im Tagebuch identifiziere ich mich mit dem alten Adam, dem Egozentriker, dem erbsündigen Menschen, und den wollte ich festhalten. Halte ich nämlich den inneren Schweinehund nicht gleich fest, verschwindet er wieder. Dann entstand der neue Adam, und der nimmt den alten Adam im Licht des Bewusstseins wahr und macht ihn auf seine Fehler aufmerksam.

 

Oft geht es auch ums „liebe Geld“. Sie beschreiben etwa detailliert eine von Ihnen bezahlte Sanierung des Hauses einer Roma-Familie. Und Sie ärgern sich darüber, einer Frau einen Kredit gegeben zu haben.

MATHEI Mit dem Kredit habe ich Frau B. vor der Exekution bewahrt. Aber das war ein Fass ohne Boden. Heute sehe ich es als Fahrlässigkeit und eine gewisse Schwäche. Das Haus von Leonards Familie steht in Ploiesti, Rumänien. Für die Renovierung habe ich ihm laufend hohe Geldbeträge geschickt. Als Dank hat er mich eingeladen, jederzeit dort Urlaub zu machen. Übrigens habe ich sowohl den Kredit für Frau B. als auch die Haussanierung mit meinem eigenen Geld bezahlt, nicht mit dem der Pfarre.

 

Bereuen Sie es heute, dass Sie so viel Geld vergeben haben?

MATHEI Auf keinen Fall bei Leonard, aber bei Frau B. Das war unvorsichtig. Ich hätte ein Klagerecht gehabt. Aber ich habe eines Tages die „Akte B.“ weggeworfen. Damit konnte ich das Thema abschließen.

 

Sie schreiben im Tagebuch über Ihre Verliebtheit als junger Mann. Gibt es jetzt noch Momente, in denen Sie sich eine Partnerin wünschen?

MATHEI Nein. Dazu ist mir mein Beruf zu wichtig. Aber das Verliebtsein kenne ich immer noch. Das lässt sich nicht einfach abstellen. Verliebtheit hat eine unglaubliche Macht. Dessen muss man sich bewusst sein. Verdrängen funktioniert nicht. Man muss sich mit ihr beschäftigen und sie annehmen, um Distanz bekommen zu können.

 

Ostern naht. Den Karfreitag definieren Sie auf besondere Art.

MATHEI Karfreitag ist der Tag der Kreuzigung, der Sühne. Karfreitag ist aber auch die rettende Gegenbewegung. Göttliche Selbstlosigkeit gegen die Selbstherrlichkeit der Welt. Heilige Freigebigkeit gegen die Habsucht der Welt. Heilige Gewaltfreiheit gegen die Gewaltbereitschaft der Welt. Opfervolle Liebe von oben gegen den Egoismus der Welt. Nächstenliebe gegen den Hass der Welt. Demut des Himmels gegen den Hochmut der Welt.

Zur Person

Peter Mathei
ist Landpfarrer von Alberschwende

Geboren 24. Februar 1946

Laufbahn Fremdenverkehrsakademie, Studien Philosophie und Theologie, Priesterseminar, Priesterweihe.

Hobbys Schreiben, Tennis, Wandern, Klavier spielen, Fotografieren.

Buch “Im Licht des Bewusstseins. Aus dem Tagebuch eines Landpfarrers” ist über den Fromm Verlag erhältlich.