Suche nach Eintracht zwischen Wild und Wald

Vorarlberg / 27.03.2018 • 18:38 Uhr
Waldvereinsobmann Walter Amann und Jägermeister Christof Germann lieferten sich einen harten Schlagabtausch. VN/Steurer
Waldvereinsobmann Walter Amann und Jägermeister Christof Germann lieferten sich einen harten Schlagabtausch. VN/Steurer

Folgen eines harten Winters haben Gegensätze verdeutlicht.

Schwarzach Wildstände, Wildfütterung, Schutz des Waldes: Jäger und Waldschützer sind sich nicht grün.

 

Haben wir zu viel Wild in unseren Wäldern?

Amann Ja, das haben wir. Der Schalenwildbestand hat sich in den letzten 20, 30 Jahren deutlich vermehrt. Jetzt haben wir die Situation, dass die zu hohen Wildbestände in vielen Waldgebieten sich äußerst negativ auf die Vegetation und auf die natürliche Verjüngung des Waldes auswirken.

Germann Was die Zunahme des Wildbestandes anbelangt, so ist das kein Thema, das sich auf Vorarlberg allein beschränkt. Das ist ein europaweites Phänomen. Laut Experten Zeiler liegen die Gründe dafür nicht in der Wildfütterung oder in den unterschiedlichen Jagdsystemen, sondern in der Produktivität des Äsungsangebotes. Wir sind in Vorarlberg jedoch auf einem guten Weg. Betroffen macht mich der Vorwurf von Walter Amann, die Jäger würden lieber Ersteklassehirsche schießen und die weiblichen Tiere laufen lassen. Das stimmt einfach nicht und lässt sich durch Zahlen vom abgelaufenen Jagdjahr und durch Zahlen der letzten neun Jahre widerlegen.

 

Wie soll man eine gesunde Mischung von Wald und Wild erreichen?

Germann Ich verweise gerne auf die Empfehlungen von Prof. Reimoser, bei dem das Land Vorarlberg 2016 eine Studie in Auftrag gegeben hat. Er empfiehlt unter anderem mehr Verantwortung und Fachwissen bei den Grundeigentümern. Waldeigentümer müssen bei allen Maßnahmen die koordinierende Drehscheibe sein. Reimoser empfiehlt auch bessere Bejagungsmöglichkeiten durch eine ausreichende jagdliche Infrastruktur. Wir sind bei vielen Punkten auf einem guten Weg. Um unsere Ziele zu erreichen, müssen wir auch die Zusammenarbeit mit den Grundeigentümern vertiefen. Die Jäger haben nachweislich schon einiges zur Verbesserung der Situation beigetragen.

Amann Das tun wir. Wir haben gerade wieder Waldpflegekurse angeboten, arbeiten mit dem Waldbesitzerverband zusammen. Ich muss aber auch festhalten: Ich erkenne nicht, dass sich bei der Regulierung des Wildbestandes etwas tut. Wir haben in unserer Region zehn Mal so viel Schalenwild wie zum Beispiel im Naturraum Karpaten. Dort ist die Natur im Gleichgewicht. Bei uns nicht. Bei uns ist die Wildfütterung ein großes Problem. Die nimmt überhand.

Germann Prof. Zeiler sagt ganz klar: Die Fütterung hat keinen Einfluss auf die Höhe des Wildstandes. Es gibt eine klare gesetzliche Vorgabe zur Wildfütterung. Fütterungen sind zudem auch nur in den Wild-Kernzonen erlaubt.

Amann Wir sind auch nicht prinzipiell gegen die Wildfütterung. Es kommt nur darauf an, für wie viele Tiere die Fütterung vorgesehen ist, und was ihnen gefüttert wird. Bei uns wird zu viel Wild gefüttert.

 

Es sind im heurigen Winter einige Wildtiere verhungert. War das ein Skandal oder einfach nur Natur, in die man nicht eingreifen soll?

Germann Für mich ist das etwas, was mich sehr betroffen gemacht hat. Da unterscheide ich mich krass von Walter Amann. So geht man mit einer Kreatur nicht um. Man lässt diese Rehlein nicht einfach verhungern, wenn man ihnen
mit ein bisschen Heu über die nächsten zwei, drei Wochen hinweghelfen kann. Ein Tier einfach verhungern zu lassen ist ein grausamer Tod.

Amann Für mich gilt: Ich bin bei der Natur, wir wollen natürliche Zustände. Es verhungern in der Natur Dutzende Wildtiere, wovon wir nichts mitbekommen. Das sehen wir halt nicht. Die erleiden einen ebenso qualvollen Tod. Jetzt ist die Frage: Welches Tier darf verhungern, welches nicht? Eine Maus hat ebenso eine Lebensberechtigung wie ein Reh. Was müssen wir füttern? Was nicht? Wo machen wir den Schnitt?

 

War der Abschussauftrag der BH Bludenz für das Klostertal zur Sicherung des Objektschutzwaldes die richtige Maßnahme?

Germann Da geht es um ein paar Gämse, die der Winter nach unten getrieben hatte. Ich sehe den Abschussauftrag extrem kritisch. Da hätte man sich zuerst andere Maßnahmen überlegen können. Ein Abschussauftrag muss immer die ultima ratio sein.

Amann Ich finde, die Behörde hat richtig und gesetzeskonform reagiert. Man hat in einer solchen Situation keine Zeit, um Studien anzulegen. Da muss man handeln, weil das Wild in relativ kurzer Zeit große Schäden anrichten kann.

 

Sind die vorgenommenen Bündelungen der Kräfte sowohl in Forst- als auch in jagdlichen Angelegenheiten beim Land eine richtige Maßnahme zur Lösung der Probleme?

Germann Für mich persönlich liegt der Schlüssel zum Erfolg in einem guten Einvernehmen zwischen Grundeigentümer und Jagdpächter. Wenn die miteinander können, dann entstehen viele Probleme erst gar nicht. Aber natürlich braucht es eine übergeordnete Stelle, die zum Beispiel eine ökologische Raumplanung vornimmt.

Amann Da bin ich bei Christof. Es muss zuerst im Kleinen funktionieren. Es wurden nun auch auf höherer Ebene Schritte gemacht, die ich gut finde. Natürlich gibt es da immer Leute, die sich mit Veränderungen schwertun. Aber eine gewisse Bündelung der Kompetenzen finde ich nicht schlecht.

„Die Jäger haben nachweislich schon einiges zur Verbesserung der Situation beigetragen.“

„Der Wildbestand ist zu hoch. Es gibt bei uns zehn Mal so viel Wild wie in den Karpaten.“