Große Autos und Pelz

Josef Burtscher hofft, dass große Autos irgendwann das Image der Pelzmäntel haben.
Schwarzach Eine Zukunft ohne Erdöl? Das ist möglich, sind Peter Traupmann und Josef Burtscher im VN-Interview überzeugt. Traupmann ist Chef der österreichischen Energieagentur, Burtscher leitet das Vorarlberger Energieinstitut. Beide eint eine Vision. Ein Gespräch über Glühbirnen, Staubsauger und große Autos.
Herr Traupmann, Sie warnten 2016 vor dem Energiehandelsdefizit. Wie sieht‘s 2017 aus?
Traupmann Das Handelsdefizit im Energiebereich schwankt immer zwischen sieben und 13 Milliarden Euro, abhängig vom Öl- und Gaspreis. Das bewirkt übrigens das Defizit in der Gesamthandelsbilanz. Wenn man es reduzieren könnte, würden wir in Richtung positiver Gesamthandelsbilanz gehen.
Wie soll das klappen?
Traupmann Indem wir uns vom Erdöl verabschieden, eigentlich von allen fossilen Energieträgern, und zwar nicht nur energetisch, sondern auch stofflich. Stichwort: Plastik. Das sind gewaltige Mengen! Wenn wir nur den energetischen Bereich gelöst haben, haben wir lediglich das halbe Ziel erreicht.
Das klingt utopisch.
Traupmann Nein, es gibt schon jetzt Verpackungsmaterial, das aus nicht fossilen Trägern stammt. Außerdem gibt es sehr stabile und reißfeste Naturfasern, die man weiterverarbeiten kann. Überall, wo es ambitionierte Ziele gegeben hat, wurde ein Investitionsschub ausgelöst. Ein Beispiel: Die LED-Lampen hätten sich nie in dieser Geschwindigkeit entwickelt, wenn man Glühbirnen nicht aus dem Verkehr gezogen hätte. Damals sorgte es für große Aufregung, heute redet kein Mensch mehr darüber.
Heute redet man über die Watt-Reduzierung bei Staubsaugern.
Traupmann Auch das ist ein emotionales Thema. Ein Staubsauger bringt mit 800 Watt die gleiche Leistung wie mit 1600 Watt. Wenn man die Millionen Geräte in Europa zusammenzählt, reden wir von Energieeinsparungen in einer Größenordnung von zwei Atomkraftwerken.
Vorarlbergs Vision heißt Energieautonomie. Wie geht es voran?
Burtscher Die Energieautonomie ist ein bilanzielles Ziel bis 2030. Sie ist jetzt bald zehn Jahre alt, wir werden das Thema vielleicht auf Ressourcen und Material erweitern müssen, und zwar weg von der Kilowattstunde, hin zum CO2. Energie ist nämlich kein Problem, davon haben wir genug. Das Problem ist das Kohlendioxid.
Das größte Problem ist der Verkehr. Wie bekommt man ihn in den Griff?
Traupmann Ein Drittel des Gesamtverbrauchs stammt aus Transport und Mobilität. Was den Individualverkehr betrifft, bin ich sehr optimistisch. Vorarlberg macht im Elektrobereich sehr viel. In den Städten geht der Individualverkehr ebenfalls zurück, weil öffentlicher Verkehr ausgebaut wird und Parken unattraktiv ist.
Burtscher Vorarlberg hat als Land einen riesigen Vorteil. 80 Prozent der Vorarlberger wohnen an einer Bahnlinie. Jetzt muss ich mir nur noch überlegen: Wie komme ich zu den Knoten? Außerdem glaube ich, dass es mit großen Autos irgendwann so ist wie mit den Pelzmänteln. Man traut sich heutzutage nicht mehr, einen Pelzmantel anzuziehen. So wird es auch einmal dem großen Auto gehen.
Projekte wie FL.A.CH spielen in der Politik kaum eine Rolle. Die S 18 und der Stadttunnel schon. Passt das mit dem Ziel zusammen, weniger Verkehr zu verursachen?
Burtscher Nein. Das passt nicht zusammen. Man verlagert halt irgendwelche Emissionen in einen Tunnel und bläst sie woanders raus. Das ist ein Dilemma.
Das Glühbirnenverbot zeigt, dass Verbote helfen. Soll man mehr verbieten?
Burtscher Es braucht drei Beweggründe: Gesetze, Förderungen, und Motivation. Manche Gesetze sind nötig. Es ist vernünftig, dass man höchstens 130 Stundenkilometer auf der Autobahn fahren darf. Allerdings weiß ich auch, wenn ich mit 100 Stundenkilometern von Bregenz nach Bludenz und zurück fahre, verbrauche ich 18 Prozent weniger und benötige sieben Minuten länger. Noch besser wäre es, mit dem Zug zu fahren. Aber Autofahren tut halt noch nicht weh. Energie ist fürchterlich billig. Mineralwasser kostet zum Teil mehr als Sprit, das ist lächerlich.
Christian Gantner hat Erich Schwärzler als Chef des Energieinstituts abgelöst. Was erwarten Sie sich vom neuen Chef?
Burtscher Ich muss den alten Chef einmal loben. Er hat das Institut 23,5 Jahre und 77 Vorstandssitzungen lang begleitet und verteidigt. Der neue Chef ist jünger, ihm ist das Thema Energie nicht fern, er ist engagiert und aufgeschlossen. Ich hoffe, dass wir wieder ein paar neue Wege gehen können. Ich denke zum Beispiel, dass das Thema Lebensstil bei uns verankert werden soll. Aber jetzt muss man ihn einmal ankommen lassen.
Traupmann Man kann ihm nur die Energie wünschen, die Erich bei diesem Thema hatte.

Doppelinterview Peter Traupmann (Geschäftsführer der österreichischen Energieagentur) und Josef Burtscher (Energie-Institut-Geschäftsführer)

Doppelinterview Peter Traupmann (Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur) und Josef Burtscher (Energie-Institut-Geschäftsführer)

Doppelinterview Peter Traupmann (Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur) und Josef Burtscher (Energie-Institut-Geschäftsführer)
Zur Person
Peter Traupmann
Seit November 2011 Geschäftsführer der österreichischen Energieagentur.
Geboren 6. Juni 1962
Josef Burtscher
Seit Juli 2011 Geschäftsführer des Vorarlberger Energieinstituts
Geboren 11. September 1959