Die Schraube dreht sich nach unten

Vorarlberg / 29.05.2018 • 18:33 Uhr
Die Schraube dreht sich nach unten

Wie niedrig kann die Sozialhilfe sein? Eine Suche nach dem Existenzminimum.

Schwarzach Wie viel Geld braucht der Mensch für das tägliche Leben? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Die bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) soll dieses Minimum jedenfalls sichern. Am Montag hat die schwarz-blaue Bundesregierung Pläne vorgestellt, wonach besagtes Existenzminimum weiter nach unten rutscht. Details sind noch nicht bekannt, einige Eckpunkte, allen voran die Beträge, hat die Regierung aber schon präsentiert (die VN berichteten). Zusammengefasst lässt sich sagen: Weitere Einschnitte stehen bevor.

Die Situation in trockenen Zahlen: 13.623 Vorarlberger haben im Vorjahr nach Auskunft des Landes die Mindestsicherung in Anspruch genommen. Laut “Agenda Austria” gab das Land rund 30 Millionen Euro dafür aus. Vorarlberger beziehen mit durchschnittlich 6,2 Monaten im Österreichvergleich die Mindestsicherung am kürzesten. Das heißt, die Arbeitsmarktintegration funktioniert am besten.

Was reicht zum Leben?

Die österreichische Schuldenberatung ist dieser Frage nachgegangen und hat ein Referenzbudget erstellt, das der Verein Dowas auf Vorarlberg umrechnete. Dowas-Chef Michael Diettrich (63) erläutert: “Dieser Betrag ermöglicht ein gutes Leben auf niedrigem Niveau.” Kosten für Autos, Alkohol und Zigaretten sind nicht berücksichtigt. Nach diesen Berechnungen benötigt eine alleinstehende Person im Alter zwischen 25 und 51 Jahren 1326 Euro pro Monat. 703 Euro sind Fixkosten fürs Wohnen, dazu kommen 170 Euro unregelmäßige Ausgaben (etwa Kleidung, Schuhe, Möbel), 390 Euro Haushaltsausgaben wie Essen und Trinken sowie 63 Euro für die soziale Teilhabe. In Vorarlberg bezogen im Vorjahr 3100 Alleinstehende zumindest Teile aus der Mindestsicherung.

Zum Überleben?

Die Bundesregierung ist überzeugt: Es reichen 563 Euro pro Monat. So hoch soll der neue Mindestsicherungssatz sein. Bei einem österreichischen Pflichtschulabschluss oder Deutschkenntnissen auf B1-Niveau stockt der Staat die Sozialhilfe um 300 Euro auf. So will die Bundesregierung vor allem Ausländer treffen. Von 13.600 Beziehern im Land sind fast 5900 österreichische Staatsbürger. Ihre Chance auf 863 Euro pro Monat ist wesentlich höher. Aktuell liegt der Vorarlberger Richtsatz für Alleinstehende bei 645,2 Euro. Dazu kommen allerdings die Wohnkosten. Die Bundesregierung schreibt in ihrer Punktation: “Der Betrag ist im Rahmen des Ermessens der Bundesländer nach Wohnbedarf und sonstigem Bedarf aufzuteilen.” Das liest sich so, als müssten die Wohnkosten aus der Sozialhilfe finanziert werden, auch wenn die Vorarlberger ÖVP das anders interpretiert, die VN berichteten. Die aktuelle Vorarlberger Regel sieht dagegen für eine Person einen zusätzlichen Wohnkostenzuschuss von maximal 503 Euro vor.

Zum Wohnen?

Laut Referenzbudget zahlt ein Alleinstehender fürs Wohnen im Schnitt 499 Euro pro Monat, dazu kommen Warmwasser (7 Euro), Strom (29 Euro), Heizung (36 Euro). Bei 563 Euro Mindestsicherung bleibt nicht mehr viel übrig. Auch wer 863 Euro erhält, muss im Vergleich zum aktuellen Modell mit Einbußen rechnen. “Ich vermute, dass die Länder den Rest über die Wohnbeihilfe finanzieren werden, wie es in manchen Ländern schon der Fall ist”, glaubt Diettrich. “Am Ende ist es egal, aus welchem Landestopf das Geld kommt. Allerdings existiert ein Rechtsanspruch auf Mindestsicherung, aber nicht auf die Wohnbeihilfe.”

Zum Essen?

Das Referenzbudget geht davon aus, dass ein Alleinstehender 348 Euro im Monat für Nahrungsmittel und Snacks benötigt. Ein Paar benötigt demnach 622 Euro, mit Kind 918 Euro. Geht sich das aus? Michael Diettrich ist überzeugt: “In Vorarlberg ist das nicht machbar.” Sein Fazit: “Dieser Vorschlag ist insgesamt schlampig. Ich frage mich, was passiert, wenn die Regierung diese Pläne in die Tat umsetzt.”

„Ich vermute, dass die Länder den Rest über die Wohnbeihilfe finanzieren werden.“

Die Schraube dreht sich nach unten

Stichwort

Mindestsicherung in Vorarlberg
13.623 Vorarlberger haben im Laufe des Jahres 2017 Leistungen aus der Mindestsicherung erhalten. Davon sind 3101 Alleinstehende, 3433 Alleinerziehende mit mindestens einem Kind, 4619 Paare mit Kindern. Das bedeutet, dass 6080 Bedarfsgemeinschaften Sozialhilfe erhalten. Unter den Empfängern befinden sich 5870 Österreicher, 1017 andere EU-Bürger und 6736 Personen aus Drittstaaten, davon 4685 Konventionsflüchtlinge. 69,6 Prozent der Bezieher verfügen maximal über einen Pflichtschulabschluss.