Welt-Frauentag: Wie sich Eva Leitner (76) aus Bregenz ohne Rente durchschlagen muss

Sie hat vier Kinder großgezogen und viel gearbeitet in ihrem Leben. Trotzdem bekommt Eva Leitner (76) vom Staat keine Rente.
Bregenz. Auf ihren Vater ist Eva Leitner (76) heute noch sauer. Er weigerte sich, seine Unterschrift unter ihren Lehrvertrag zu setzen. Eva, die in der Steiermark aufwuchs, wollte sich in einem Hotel in München zur Hotel- und Gastgewerbefachkraft ausbilden lassen. Aber ihr Vater war der Ansicht, dass Mädchen nichts lernen müssen, weil sie später sowieso heiraten. Eva bereut es, dass sie damals sein Nein anstandslos akzeptiert hat. Denn später war sie immer nur Hilfsarbeiterin. „Und so wurde ich auch bezahlt.“
Nach der Schule arbeitete Eva drei Jahre lang für Gottes Lohn auf dem elterlichen Bauernhof. „Ich habe nicht einmal ein Taschengeld bekommen.“ Danach fand sie Arbeit in Vorarlberg. An ihrem Arbeitsplatz, in einem Cafè in Bregenz, lernte sie mit 17 Jahren ihren späteren Ehemann kennen. Ihm schenkte sie vier Kinder. „Mit 23 war ich Mutter von sechs Kindern. „Mein Mann brachte zwei Söhne mit in die Ehe. Die waren vier Jahre bei uns.“
Ihre ganze Kraft floss in die Familie
Evas ganze Kraft floss in die Familie. Besonders viel Zuwendung benötigte ihre zweitälteste Tochter Cornelia, die seit ihrer Geburt spastisch gelähmt ist. Dass diese ihren Weg gehen und selbstständig werden konnte, verdankt sie nicht zuletzt auch ihrer Mutter. Denn Eva kämpfte vehement und mit Erfolg dafür, dass ihre behinderte Tochter die nötigen Therapien bekam, in die Regelschule gehen und eine Lehre absolvieren konnte. Als die Kinder aus dem Kleinkindalter heraus waren, ging die Vierfach-Mama putzen. So besserte sie das Familieneinkommen auf. Doch die Ehe hielt nicht. Mit 41 ließ sich Eva von ihrem Mann scheiden. Er musste ihr Unterhalt zahlen. „Ich bekam von ihm monatlich 4800 Schilling, also umgerechnet knapp 350 Euro.“ Jetzt musste sie sich selber durchbringen. Sie zog in eine 50 Quadratmeter kleine Mietwohnung, für die sie monatlich 220 Euro berappen muss. In dieser lebt sie heute noch. Dass ihre Wohnung so wohnlich eingerichtet ist, verdankt sie dem kleinen Erbe, das ihr die Tante vermachte. Außerdem wurde sie schuldlos in zwei Unfälle verwickelt. Mit dem Schmerzensgeld finanzierte sie sich unter anderem das Bad und die Küche.
“Ein Jahr lang pflegte ich eine schwer demente Frau. So konnte ich mir drei Zahnimplantate finanzieren.”
Eva Leitner
Um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, verdingte sie sich als Hilfskraft auf einer Messe und bei einem Verein als Buffetkraft. Zudem pflegte sie nach der Scheidung 18 Jahre lang eine Frau, die einen Gehirnschlag erlitten hatte. Ein Zubrot verdiente sie sich auch damit, indem sie für Bekannte Pullover und Trachtenjacken strickte und häkelte. Die drei Zahnimplantate, die sie benötigte, finanzierte sie so: „Ich pflegte ein Jahr lang eine schwer demente Frau.“
Man benötigt 15 Versicherungsjahre, damit man einen Anspruch auf Pension hat. Eva hat nicht so viele. Deshalb bekommt sie auch keine Rente. „Aber seit ich 65 bin, beziehe ich Mindestsicherung. Ich bekomme vom Land monatlich 419 Euro inklusive Wohnbeihilfe. Zusammen mit den Unterhaltszahlungen meines Mannes stehen mir im Monat insgesamt 889 Euro zur Verfügung.“ Damit kann man keine großen Sprünge machen. Deshalb betreut die 76-Jährige auch noch hin und wieder einen alten, pflegebedürftigen Mann. „Sollte mein 89-jähriger Ex-Mann vor mir sterben, höre ich aber zu arbeiten auf. Dann bekomme ich nämlich eine Witwenpension.“
Der Oma-Revolte angeschlossen
Dass sie sich der Vorarlberger „Oma-Revolte“ – unter dem Titel haben sich Frauen der Generation 50plus zusammengeschlossen, um gegen das ihrer Meinung nach ungerechte Pensionssystem aufzutreten – angeschlossen hat und gegen soziale Ungerechtigkeit auf die Straße gegangen ist, hat damit zu tun, dass sie selbst in Sachen Pension durchs Raster fällt. Es ärgert Eva, dass sie keinen Anspruch auf eine Rente hat, obwohl sie vier Kinder großgezogen und immer viel gearbeitet hat. Inzwischen kämpft die Mindestsicherungsbezieherin aber vor allem für andere Frauen. „Es wäre toll, wenn die Omas, die Kinder aufgezogen haben, von Vater Staat eine Zusatzrente bekommen würden.“