Harald Walser

Kommentar

Harald Walser

Wem nützt Terror?

Vorarlberg / 18.03.2019 • 05:59 Uhr

Terroranschläge führen häufig dazu, dass politisch Verantwortliche Errungenschaften eines liberalen Rechtsstaates infrage stellen. Es gibt aber auch erfreuliche Gegenbeispiele.

In Neuseeland verkündete die Regierungschefin Jacinda Ardern am Freitag nach dem fürchterlichen Mordanschlag mit 49 Toten, ihr Land stehe für „Vielfalt, Herzlichkeit, Mitgefühl“, sei und bleibe „Heimat für die, die unsere Werte teilen“. Die Bürgermeisterin von Christchurch betonte, dass der Anschlag die Werte des Landes nicht erschüttern könne.

Ähnlich reagierte im Juli 2011 der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg, nachdem der rechtsextreme Terrorist Anders Breivik 77 Menschen kaltblütig ermordet hatte: „Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit.“ Die besonnenen Reaktionen tun Neuseeland gut, sie haben auch Norwegen gutgetan

Und Österreich?

Hier läuft es umgekehrt: Genau jene Szenarien, auf die sich der Täter von Christchurch in seinem Manifest beruft, werden erzeugt. Seit Jahren werden Gefahrenbilder entworfen, die Angst auslösen sollen. Angeblich ist Österreich, ja unsere ganze Kultur bedroht. Verschwörungstheorien werden verbreitet, „der Islam“ oder dunkle Mächte arbeiteten an einer „Umvolkung“.

Und wenn so etwas wie in Christchurch passiert, wird die Attacke – wie beim Innenminister – entpolitisiert und daraus ein allgemeines Bedrohungsszenario konstruiert: „Dieser brutale Terrorakt führt uns allen vor Augen, wie aktuell und allgegenwärtig die extremistische und terroristische Bedrohung leider sein kann.“ Herbert Kickl forderte als Reaktion auf das Attentat im fernen Neuseeland bei uns (!) „verstärkte Sicherheitsmaßnahmen“. Rechtsextremes Attentat? Kommt nicht vor, dafür die jahrelange Forderung, der Staat müsse aufrüsten.

„Natürlich muss der Staat bei Gewalttaten und überhaupt bei jedem Verbrechen konsequent reagieren.“

Nix da mit „mehr Demokratie“ und „mehr Menschlichkeit“, Strache, Kickl und Co ziehen andere Lehren. Natürlich muss der Staat bei Gewalttaten und überhaupt bei jedem Verbrechen konsequent reagieren. Dazu sind Polizei und Gerichte genauso aufgerufen wie zur Verbrechens-Prävention. Wer aber aus solchen Vorfällen einen staatlichen Notstand konstruiert, erzeugt noch mehr Unsicherheit und will Menschen- und Grundrechte aushebeln.

Der Terrorismusexperte Peter Neumann bringt es auf den Punkt: „Die Idee einer ‚existenziellen Bedrohung‘ ist das wichtigste ideologische Argument in praktisch allen Extremismen. Sie schafft Dringlichkeit und rechtfertigt alles. Wer solche Argumente in die Welt setzt, muss Verantwortung für die Konsequenzen übernehmen.“

Wenn wir Schritt für Schritt Errungenschaften der liberalen Demokratie aufgeben, haben die Extremisten ihr Ziel erreicht. In Norwegen und Neuseeland haben das die Verantwortlichen erkannt.

Harald Walser ist Historiker, ­ehemaliger Abgeordneter zum ­Nationalrat und AHS-Direktor.