Monika Helfer

Kommentar

Monika Helfer

Greta spielen

Vorarlberg / 07.04.2019 • 15:29 Uhr

„Komm, spielen wir Greta!“
Das sagte ein Kindergartenmädchen mit Zöpfen. Es kletterte auf einen Stuhl und fuchtelte mit den Armen. Die andern Kinder schauten zu ihr auf. Die Tanten staunten. „Was ist denn das – Greta spielen?“
Am Morgen hatte Soffi ihrer Mutter aufgetragen, ihr Zöpfe zu flechten, so wie sie die Greta hat. Ihre Eltern redeten viel von Greta, und dass sie sie bewundern, so ein mutiges Mädchen.

Jeden Tag marschierte die kleine Prozession, auch bei Regen, dann mit Kapuzen geschützt, die Straße an der Kirche entlang.

Am Morgen hatte Soffi ihrer Mutter aufgetragen, ihr Zöpfe zu flechten, so wie sie die Greta hat. Ihre Eltern redeten viel von Greta, und dass sie sie bewundern, so ein mutiges Mädchen.
„Sie hat ihren Eltern verboten, mit dem Flugzeug zu verreisen, ihre Mutter, die eine Opernsängerin ist, fährt nur mehr in Orte, die sie mit dem Zug erreichen kann. Man muss nicht in den Urlaub fliegen, wo es bei uns so schön ist, hatte Gretas Vater gesagt. Und das Auto kommt auch weg. Wenn wir eines brauchen, leihen wir es uns.“
Soffi hüpfte vom Stuhl und rief: „Ihr müsst jetzt Greta zu mir sagen!“
Die Tanten, froh über motivierte Kinder, begannen, ein Plakat zu basteln, zwei Stangen rechts und links, festes Papier, darauf schrieben sie mit Filzstift: „Wir wollen eine gute Welt!“
„Warum machen wir das?“, fragte der kleine Uwe. „Das ist doch langweilig.“

„Komm, spielen wir Greta!“ riefen die Kinder.

Schönes Wetter war, die Frühlingssonne wärmte schon. Die Kinder gingen in Zweierreihen, „Greta“ vorweg zur Tür hinaus auf die Straße, und sie riefen, was „Greta“ ihnen aufgetragen hatte. Eine der Tanten hatte die Idee, eine Melodie zu pfeifen, das passte aber nicht. Die andere Tante, frisch von der Schule, wollte den Kindern auf die Handfläche schreiben: „Unsere Zukunft“. Die Handflächen der Kinder waren zu klein, nur auf Emils Hände passten alle Buchstaben. Er würde ganz vorne neben „Greta“ den kleinen Marsch anführen.
Ein Mädchen fragte: „Kann ich nicht ein Herz auf meine Hand bekommen?“

Sie marschierten auf der Straße, die vorne gingen, eifrig, die hinten, zaghaft, öfters scherte ein Kind aus, weil es ihm zu langweilig war. Hätten sie Zweiglein in der Hand gehabt, man hätte meinen können, es sei eine Fronleichnamsprozession. Eine alte Frau mit Einkaufstasche dachte das auch. Sie bekreuzigte sich. Es gab Beschwerden mancher Eltern. Es sei nicht in Ordnung, kleine Kinder zu instrumentalisieren. Aber es gab auch Eltern, die die Idee großartig fanden. Jeden Tag marschierte die kleine Prozession, auch bei Regen, dann mit Kapuzen geschützt, die Straße an der Kirche entlang. Es geschah, dass eine Frau die Tour begleitete, dann kam ein Mann dazu, ein pensionierter Schuldirektor, dann mehrere Frauen, die Gruppe bestand manchmal aus dreißig Menschen. Die Geschäftsleute stellten sich an den Eingang und schauten. Die Frisörin schüttelte den Kopf und sagte, was soll das bringen. Aber die Gruppe ließ sich nicht beirren. Bald stand in der Zeitung von ihnen, Fotos gab es und Diskussionen.