Hanno Loewy

Kommentar

Hanno Loewy

Kurz zusammengefasst

Vorarlberg / 30.05.2019 • 07:59 Uhr

Bald ist Sommer. Vielleicht können wir uns dann alle einen Moment lang entspannen? In der letzten Woche haben viele so getan, als stünde Österreich vor dem Ausbruch des Chaos, vor einer Staatskrise. Der Mehrheit des Parlaments wurden „Rachegelüste“ unterstellt. Und gegen das Parlament wurde die „Mehrheit des Volkes“ beschworen. So als sei das Parlament nicht von eben diesem Volk gewählt worden. Aber manche Leute lassen gerne so lange wählen, bis ihnen das Ergebnis gefällt.

Von Staatskrise ist freilich keine Spur. Es gibt ist eine Regierungskrise und an dieser Regierungskrise ist die Regierung Schuld, wer sonst bitte schön?

„Dass er dafür im Parlament keine Mehrheit bekam ist schon fast ein schwacher Trost.“

Der inzwischen abgewählte Kanzler hat vor zwei Jahren in seiner eigenen Partei mehr oder minder putschartig die Macht übernommen, seinen innerparteilichen Vorgänger demontiert, sich als Retter inszeniert und zusammen mit einer Partei eine neue Regierung gebildet, deren Verständnis von Macht und Korruption, von Demokratie und Medienfreiheit er genauso kannte, wie alle anderen auch. Anderthalb Jahre lang haben wir dann einen „Einzelfall“ von Niedertracht nach dem anderen erleben dürfen, und damit sind nicht die täglichen rechtsradikalen Ausritte einzelner Funktionäre gemeint, sondern das Handeln seiner Minister. Von einer Razzia im BVT, die sich offenbar besonders für Ermittlungen gegen Rechtsradikale interessierte, bis zur zynischen Umbenennung von Aufnahmezentren für Flüchtlinge in „Ausreisezentren“. Am Ende war es zutiefst beschämend, dass es erst eines Skandalvideos bedurfte, diese „harmonischste“ Bundesregierung aller Zeiten von einem auf den anderen Tag in einen Rosenkrieg zu stürzen. Kanzler Kurz aber stellte sich nicht etwa vor das Publikum und gestand zerknirscht ein, das Land zum zweiten Mal in zwei Jahren in Neuwahlen gejagt zu haben, sondern stellte sich als Opfer dar – und verlangte zum Dank für dieses Debakel Österreich nun alleine „führen“ zu dürfen und das Parlament vollends auszuschalten. Dass er dafür im Parlament keine Mehrheit bekam ist schon fast ein schwacher Trost. Aber es ist eine Selbstverständlichkeit und kein Skandal, wie uns nun manche weismachen wollen. Dass die Sozialdemokratie eine geschlagene Woche dafür brauchte, um diese Selbstverständlichkeit auszusprechen, grenzte an einen Offenbarungseid.

Ob das Volk dem neuen Führer nun das schenkt, was er will, nämlich unkontrollierte Macht, das bleibt abzuwarten. Man wird noch sehen, was alles möglich ist.

Hanno Loewy ist Direktor des ­Jüdischen Museums in Hohenems.